Klima-Zeitung

Juni 2023

Alle zwei Monate ordnen wir alles Wichtige zu Politik und Wissenschaft ein. Für Menschen, die in der Diskussion um die Klimakrise auf dem Laufenden bleiben möchten.

Schweiz

Klimaschutzgesetz: Endspurt im Abstimmungskampf

Am 18. Juni 2023 wird über das Klimaschutzgesetz abgestimmt, als indirekter Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative. Das Gesetz verankert das Netto-Null-Ziel bis 2050. Zudem sieht es 2 Milliarden Franken für den Ersatz fossiler Heizungen und 1,2 Milliarden für die Förderung neuer Technologien vor.

Die Zustimmung von Institutionen und Verbänden zum Klimaschutzgesetz ist gross. Mit Ausnahme der SVP, die das Referendum ergriffen hat, unterstützen alle grossen politischen Parteien das Gesetz, auch die FDP. Ebenfalls für ein Ja sprechen sich aus: der Bundesrat und die Kantone, der Städteverband und der Gemeindeverband. Auch der Bauernverband unterstützt das Gesetz, diesmal aktiver als noch beim CO2-Gesetz, wie die NZZ (paywall) berichtet.

Die Wirtschaft steht klar hinter dem Gesetz, neben den Wirtschaftsverbänden Economiesuisse und swisscleantech auch 50 weitere Verbände und Interessengruppen. Weshalb die NZZ (paywall) dennoch schreibt, die Wirtschaft sei gespalten, bleibt ihr Geheimnis. Einzig die Erdölbranche, GastroSuisse und der Hauseigentümerverband (HEV) in der Deutschschweiz sind dagegen. Aus Protest gegen die Haltung der Hauseigentümer ist Ständerat Ruedi Noser aus der Organisation ausgetreten, wie der Sonntags-Blick berichtet. Wie der Tages-Anzeiger schreibt, gibt der HEV 700'000 Franken für die Nein-Kampagne aus, sie stammt von der gleichen Agentur, welche für die SVP gegen das Gesetz mobilisiert.

Die Befragungen deuten auf eine Mehrheit für das Klimaschutzgesetz, allerdings sinkt die Zustimmung. Bei der zweiten Befragung von Tamedia und «20 Minuten», die Mitte Mai durchgeführt wurde, wollten 55% dem Klimaschutzgesetz sicher oder eher zustimmen. 43% waren dagegen. Ende April waren noch 58% für das Gesetz gewesen. Bei der ersten Befragung von SRF/GfS von Ende April bis Anfang Mai war die Zustimmung deutlicher: 72% befürworteten das Gesetz, 25% waren dagegen. Zur Erinnerung: Auch beim CO2-Gesetz waren die Befürworter:innen bei der ersten Befragung mit einem Vorsprung (Ja-Anteil 54% Ja) gestartet. Dennoch scheiterte das Gesetz 2021 an der Urne knapp.

Die SVP setzt im Abstimmungskampf fragwürdige Argumente ein. Die Partei verwendet falsche Zahlen darüber, mit welchen Mehrkosten bei einer Annahme zum Gesetz zu rechnen wäre. Die Forschenden der Studie, welche die SVP als Quelle angab, haben dagegen protestiert, wie der Blick erläutert. Und auch die NZZ (paywall) weist darauf hin, dass sich die SVP auf ein Extremszenario stützt. Eine ausführliche Analyse der Behauptungen der SVP steht im Tages-Anzeiger.

Auch der Mieterverband reagiert empört auf die Kampagne der SVP. Die Gegner des Klimaschutzgesetzes behaupten in einem Inserat in den sozialen Medien, der Mieterverband warne vor steigenden Mieten bei einer Annahme des Gesetzes. Tatsächlich unterstützt der Mieterverband die Vorlage und ist überzeugt, dass Mieter:innen durch das Klimaschutzgesetz profitieren. Nun prüft der Verband rechtliche Schritte, wie watson.ch schreibt.

Ebenfalls auf Ablehnung stösst die Partei mit der Aussage, der Bundesrat könne zur Erreichung des Netto-Null-Ziels im Alleingang extreme Massnahmen erlassen. Die Bundeskanzlei wie auch Professor:innen für öffentliches Recht betonen, das Gesetz schaffe keine neuen Vollmachten für den Bundesrat. Mehr dazu hier und hier in der NZZ (paywall).

Die Schweiz stösst mehr Treibhausgase aus

Die Treibhausgase der Schweiz sollten jährlich um 3% sinken, um die Klimaziele zu erreichen. Doch die Realität ist anders: 2021 sind die Emissionen im Vergleich zum Vorjahr (in CO2-Äquivalenten) um fast 3% gestiegen. Gegenüber 1990 lagen sie um 18,2% tiefer. Nach dem geltenden CO2-Gesetz hätten sie bereits bis Ende 2020 um 20% zum Vergleichsjahr 1990 gesenkt werden sollen. Die Entwicklung der Emissionen ist auch deshalb bedenklich, weil 2021 noch Einschränkungen durch Corona-Massnahmen galten. Als Gründe für den Anstieg nennt das Bundesamt für Umwelt den kälteren Winter (Mehrverbrauch an fossiler Energie bei den Gebäuden), und auch die Emissionen beim Verkehr stiegen. Mehr dazu auf srf.ch.

Klimaziele nur mit negativen Emissionen zu erreichen

Will die Schweiz bis 2050 unter dem Strich keine Treibhausgase mehr ausstossen, müssen sogenannte Negativemissionstechnologien (NET) eingesetzt werden. Laut dem Bund lassen sich selbst bei grössten Anstrengungen rund ein Viertel der heutigen CO2-Emissionen nicht vermeiden. Allerdings sind die Verfahren, CO2 aus der Luft zu filtern und sicher einzulagern, noch nicht erprobt, technisch sehr anspruchsvoll, teuer oder derzeit nicht in grösserem Massstab anwendbar.

Nun haben das Öko-Institut in Deutschland und die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) fünf Negativemissionstechnologien untersucht, die für die Schweiz relevant sind. Zu welchem Schluss kommt die Studie, welche die Stiftung für Technologiefolgen-Abschätzung (TA-Swiss) in Auftrag gegeben hat? Am günstigen ist es, CO2 in einem möglichst natürlichen Wald mit vielen alten Bäumen zu binden (allerdings fehlt es in der Schweiz an Platz für grossflächige Aufforstungen.) CO2 abzuscheiden und im Boden zu speichern, erachten die Forschenden dort als sinnvoll, wo viel davon anfällt: zum Beispiel in den Abgasen der Kehrichtverbrennungsanlagen. Dies sei einfacher und günstiger als das CO2 aus der Umgebungsluft zu filtern, wie dies etwa das Schweizer Unternehmen Climeworks macht. Zudem weisen die Autor:innen der Studie darauf hin, dass ein einzelnes Verfahren nicht genügen werde. Vielmehr würden alle NET-Technologien benötigt, um die Klimaziele zu erreichen. Mehr dazu auf srf.ch.

Negative Emissionen stellen allerdings keinen Ersatz für weitreichende Senkungen des CO2-Ausstosses dar. Zu diesem Schluss kam bereits letztes Jahr eine in «One Earth» erschienene Studie. Aufforstung oder die Abscheidung von CO2 aus Bioenergie können laut den Studienautor:innen nicht schnell genug ausgeweitet werden, um den weltweiten Temperaturanstieg ausreichend zu begrenzen. Zudem fehlen dafür die erforderlichen Landflächen.

Wo sollen erneuerbare Energien ausgebaut werden?

Ein zentrales Instrument der Schweizer Energiepolitik hat einen sperrigen Namen: Mantelerlass. Es kombiniert die Revision von Energiegesetz und Stromversorgungsgesetz und regelt die Weiterentwicklung des Energiesystems. Ständerat und Nationalrat hatten den Erlass in den letzten Sessionen bereits behandelt. In der laufenden Sommersession, die bis zum 16. Juni dauert, geht es darum, die Differenzen zu bereinigen. Den ersten Schritt machte die Umweltkommission des Ständerats. Um die Chancen bei einer allfälligen Abstimmung zu erhöhen (falls das Referendum ergriffen wird), will die Kommission die Restwassermenge unverändert belassen. Der Nationalrat hatte mit dem Entscheid, die Vorgaben im Gewässerschutzgesetz auszusetzen, für heftige Kritik gesorgt. Mehr dazu in der NZZ (paywall).

Auch die vom Nationalrat beschlossene Solarpflicht für sämtliche Neubauten und erhebliche Umbau- und Erneuerungsvorhaben lehnt die Umweltkommission des Ständerats ab. Einzig für Gebäuden ab einer Fläche von 300 m2 und für Parkplätze soll die Solarpflicht gelten. Eine kritische Einordnung in der Wochenzeitung.

Die Umweltkommission des Ständerats will die Windenergie schneller ausbauen. Weit fortgeschrittene Projekte sollen rasch umgesetzt werden können. Anders als der Nationalrat will die Ständeratskommission aber nicht, dass Windanlagen ohne den Einbezug der Gemeinden bewilligt werden können. Das beschleunigte Verfahren soll nur dann angewendet werden können, wenn die betroffenen Gemeinden dem Projekt während der Nutzungsplanung zugestimmt haben. Das Gesetz wird in der laufenden Sommersession beraten und soll von beiden Räten verabschiedet werden. Die Organisation Freie Landschaft Schweiz will den Ausbau der Windenergie verhindern - die Wochenzeitung porträtiert deren Präsidenten Elias Vogt.

Auch im Berner Oberland soll mit Bundesgeldern aus der Solaroffensive alpine PV-Anlagen erstellt werden. Im Saanenland und in der Jungfrauregion sind Seilbahnunternehmen daran, konkrete Projekte auszuarbeiten. Mehr dazu in der Berner Zeitung (paywall). Im Wallis ist das Megaprojekt Grengiols Solar inzwischen massiv abgespeckt worden. Nun soll in der unberührten Landschaft noch Strom für 37'000 Haushalte produziert werden. Ursprünglich waren es fast 20-mal mehr. Grund das Projekt so drastisch zu schrumpfen, sind verschiedene Vorgaben auf Verordnungsstufe, die ein Projekt von solchen Dimensionen nicht erfüllen kann. So müssen Alpine Solaranlagen beispielsweise bis Ende 2025 mindestens 10% des Stroms ins Netz einspeisen und bis Ende 2030 vollständig in Betrieb sein. Mehr dazu im Tages-Anzeiger (paywall) und auf srf.ch.

Gas- und Stromverbrauch rückläufig, doch der Strom wird schmutziger

In der Schweiz sind letztes Jahr 1,9% weniger Strom verbraucht worden, wie das Bundesamt für Energie mitteilt. Zum Rückgang trugen mehrheitlich der milde Winter, sowie Effizienzsteigerungen und zu einem kleineren Teil auch die Appelle zum Stromsparen bei.. In der Schweiz werden fast 10% des Stroms für das Heizen verwendet. Auch die Stromerzeugung im Inland war mit minus 1,1% rückläufig.

Die Energiesparkampagne des Bundes hat das Ziel verfehlt. Von Oktober 2022 bis März 2023 machte der Bund eine Vorgabe von 10%. Erreicht wurde ein Rückgang um 4%, wie der Tages-Anzeiger schreibt. Wobei auch hier das milde Wetter zum Rückgang beitrug. Dank der Witterung wurden 15% Gas eingespart und damit da das Ziel von 10% übertroffen.

Für den kommenden Winter hält der Bund an diesen Sparzielen fest. Um eine allfällige Versorgungslücke zu decken, setzt der Bund auch weiterhin auf Reservekraftwerke. Dies ungeachtet der Vorschläge der ZHAW und von swisscleantech, verbindliche Wasserkraftreserven für die Stauseen vorzuschreiben.

2022 bezog die Schweiz rund 10% ihres Stroms von Kraftwerken, die mit Gas, Kohle oder Öl betrieben werden, wie die NZZ (paywall) schreibt. Dadurch stieg der CO2-Gehalt pro Kilowattstunde auf 112 Gramm. Das ist fast 60% mehr als noch vor zwei Jahren. Ermittelt hat die Werte das Energieunternehmen Aliunid, das öffentliche Daten des Verbands Europäischer Übertragungsnetzbetreiber für Elektrizität und der Netzgesellschaft Swissgrid nutzt. Ein Grund für den Anstieg: Letztes Jahr standen französische Kernkraftwerke still, und der fehlende Strom wurde durch deutsche Kraftwerke ersetzt, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden.

Der Gasverbund Mittelland baut nun doch kein Flüssiggas-Terminal im Industrieareal Schweizerhalle bei Muttenz. Es wäre landesweit die erste solche Anlage. Nun soll am Standort eine Anlage für erneuerbares Flüssiggas errichtet werden. Die Bewegung Klimastreik hatte die ursprünglichen Pläne für fossiles Flüssiggas bekämpft. Mehr dazu bei der Basler Zeitung.

In Autobahnen oder in die Bahn investieren?

Der Bundesrat will die Autobahn A1 auf den Abschnitten Bern-Zürich und Lausanne-Genf auf «mindestens» sechs Spuren ausbauen. Diese Forderung hatte die SVP eingebracht, und der Bundesrat hat der Motion zugestimmt, ohne dafür eine Begründung anzugeben. Auch der Nationalrat will mehr Geld in die Autobahnen investieren. In der Sommersession hat er die Ausbaupläne 2023 für das Nationalstrassennetz ohne Abstriche genehmigt. Diese sehen unter anderem Projekte zwischen Bern und Kirchberg und Tunnelprojekte in Basel und St. Gallen vor. Auch wurde ein zusätzliches Projekt in der Westschweiz genehmigt. Statt 4,3 Milliarden sollen nun 5,2 Milliarden Franken ausgegeben werden. Zuvor hatte bereits die Verkehrskommission des Nationalrats den Plänen zugestimmt. Sagt auch der Ständerat ja, wollen der Verkehrsclub der Schweiz und die Grünen dagegen das Referendum ergreifen. Mehr dazu in der Aargauer Zeitung (paywall) und bei watson.ch.

Politiker:innen von SP und den Grünen erkennen beim forcierten Ausbau der Autobahnen den Einfluss von SVP-Bundesrat Rösti. Tatsächlich hat sich der frühere Autolobbyist Rösti nach 100 Tagen im Amt vor den Medien dafür ausgesprochen. Er sagte auch, es mache keinen Sinn, die Bahnstrecke zwischen Bern und Zürich auszubauen. Mehr dazu in der NZZ am Sonntag (paywall).

Der Tages-Anzeiger hat mit Menschen gesprochen, die an und mit der A1 leben – mit Bauern, die den Ausbau bekämpfen.

Das CO2-Gesetz bevorzugt klimaschädliche Neuwagen

Das CO2-Gesetz weist gravierende Mängel auf, wenn es darum geht, den Treibhausgasausstoss von Personenwagen zu reduzieren. Zwar schreibt das Gesetz eine Obergrenze für Treibhausgasemissionen von Neuwagen vor (aktuell beträgt der Zielwert 118 Gramm pro Kilometer). Übersteigen die eingeführten Fahrzeuge diesen Wert, haben die Importeure eine Sanktion zu bezahlen. 2021 hatten die importierten Neuwagen im Schnitt 130 Gramm pro km ausgestossen, was zu einer Sanktion von 28 Millionen Franken führte. Dabei gelten jedoch für schwere Fahrzeugflotten höhere Zielwerte. Dies führt gemäss dem Urteil der Eidgenössischen Finanzkontrolle, die das System untersucht hat, zu Fehlanreizen. So ist es für Importeure vorteilhaft, schwerere Fahrzeuge einzuführen. Weiter weist die Aufsichtsbehörde darauf hin, dass für CO2-intensive Autos in der Schweiz ausgesprochen tiefe Motorfahrzeugsteuern anfallen, in Europa wird bis 3,5 Mal so viel verlangt. Mehr dazu im Tages-Anzeiger.

Nationalbank soll sich aus fossilen Energien zurückziehen

Im Vorfeld der Generalversammlung der Nationalbank (SNB) hatte die Klima-Allianz dazu aufgerufen, Aktien zu kaufen. Daraufhin erwarben über 150 Personen, die unter dem Namen «Unsere SNB» auftreten, Anteile der SNB. Sie reichten Vorstösse zur Investitionspolitik ein, um das Devisenportfolio mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens in Einklang zu bringen. An der Generalversammlung Ende April präsentierte «Unsere SNB» ihre Forderungen für eine klima- und umweltfreundliche Geld-, Währungs- und Anlagepolitik. Sie verlangte von SNB-Führung, bei Anlagen Unternehmen auszuschliessen, die in der Förderung, der Verarbeitung oder dem Verkauf fossiler Brennstoffe tätig sind. Über die Anträge wurde allerdings nicht abgestimmt. Dies deshalb, weil es nicht in die Kompetenz der Aktionär:innen liegt, die Anlagestrategie festzulegen. Mehr dazu bei Watson.

Wie sich die Schweiz an den Klimawandel anpassen will

In den letzten Jahren hat der Bund über 50 Projekte zur Anpassung an den Klimawandel umgesetzt. So wurden unter anderem Baumaterialien gegen die Hitzebelastung erprobt, der Hitzestress bei Weidekühen und Mehrzweckspeicher gegen Sommertrockenheit untersucht, ferner Strategien gegen Hangrutsche und gegen die Ausbreitung von Waldschädlingen entwickelt. Der Bericht «Impulse für eine klimaangepasste Schweiz», der Mitte Mai vorgestellt wurde, bildet den Abschluss des zehnjährigen Programms. Nun sollen Bund, Kantone und Gemeinden diese Ansätze weiterentwickeln und umsetzen. Mehr dazu in der Wochenzeitung.

Auch das Magazin «die umwelt» des Bundesamts für Umwelt geht der Frage nach, wie wir mit dem Klimawandel umgehen. Was bedeutet Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz? Was sind Herausforderungen, was Lösungen bei Hitze, Dürre oder Überschwemmungen?

Klimarelevante Entscheide von Bund und Kantonen

Der Bund beteiligt sich an einem neuen Gaskraftwerk in Bangladesch. Das Kraftwerk wird von der Asiatischen Infrastrukturbank AIIB mit umgerechnet 120 Millionen Franken mit finanziert. Die Schweiz ist Mitglied der AIIB und hat dem Projekt zugestimmt. Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft seien Alternativen geprüft worden, doch es sei nicht genug Wasserkraft-, Solar- und Windenergie verfügbar. Damit verstösst die Schweiz gegen die am Klimagipfel in Glasgow gemacht Zusage, künftig keine fossilen Anlagen mehr im Ausland zu finanzieren. Mehr dazu auf srf.ch.

Der Bundesrat lehnt die Umweltverantwortungsinitiative ab. Die von den Jungen Grünen eingereichte Volksinitiative «Für eine verantwortungsvolle Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen» will die Schweiz dazu verpflichten, die Umweltbelastung deutlich zu reduzieren. Der Bundesrat empfiehlt die Initiative dem Parlament ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung. Die Umsetzung der Initiative wäre für Gesellschaft und Wirtschaft mit unverhältnismässig hohen Kosten verbunden, vor allem in den Bereichen Nahrungsmittel, Landwirtschaft, Energieversorgung, Kleidung und Wohnen.

Das im Zürcher Energiegesetz verankerte Verbot von Elektroheizungen ist rechtmässig. Das Bundesgericht hat eine Beschwerde von Besitzern einer Elektroheizung abgewiesen. Sie hatten in der Bestimmung, bestehende Elektroheizungen bis 2030 durch erneuerbare Energie ersetzen zu müssen, ihre Eigentumsgarantie verletzt gesehen. Laut dem Bundesgericht greift der Kanton Zürich mit dem Verbot tatsächlich in das Eigentum ein. Dafür gebe es aber ausreichende Gründe. So lägen der Schutz der Umwelt und eine ausreichende Energieversorgung im öffentlichen Interesse. Mehr dazu im Tages-Anzeiger (paywall) und in der NZZ (paywall).

Das Bundesgericht hat sich noch in einem zweiten Fall mit dem Verbot von Heizungen auseinandergesetzt: mit der Initiative «Hochdorf heizt erneuerbar - ab 2030 erst recht». Darin wird verlangt, dass bis 2030 alle Heizungen in der Luzerner Gemeinde mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass dies mit der Eigentumsgarantie vereinbar und die Initiative deshalb gültig sei. Laut dem Bundesgericht hätten die zuständigen Behörden bei einer Annahme ausreichend Zeit, eine Lösung für die entstehenden Kosten zu erarbeiten, welche die Eigentumsgarantie respektiere. Der Gemeinderat von Hochdorf hatte das Volksbegehren für ungültig erklärt. Mehr dazu bei nau.ch.

Wie stark wirken sich weitreichende politische Geschäfte wie Gesetzesänderungen oder grosse Bauvorhaben auf das Klima aus? Um dies zu erfahren, will der Kanton Basel-Stadt eine Klimawirkungsabschätzung gesetzlich verankern. Das Beratungsunternehmen INFRAS hat für den Kanton das Instrument entwickelt und beim Neubau eines Schulhauses und bei einem städtischen Richtplan getestet.

Internationale Klimapolitik

G7: Keine Deadline für den Kohleausstieg

Die reichsten Länder der Welt haben am letzten G7 Treffen in Japan zwar höhere Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2030 festgelegt. Die Staats- und Regierungschefs der G7, zu denen Deutschland, Grossbritannien, Frankreich, Italien, die USA, Kanada und Japan gehören, haben allerdings keine Frist für den Ausstieg aus Kohlestrom gesetzt. In ihrem Abschlusskommuniqué erklärten sie, dass sie sich verpflichten, bis 2035 einen «vollständig oder überwiegend» dekarbonisierten Stromsektor zu schaffen und den Ausstieg aus Kohlestrom zu «beschleunigen.»

Klimaexperten kritisierten, dass aufgrund des Widerstands von Deutschland und Japan keine griffigeren Ziele gefasst wurden. Deutschland beharrte auf mehr öffentliche Investitionen in Erdgas, und Japan weigerte sich, einem Ausstieg aus Kohlestrom zuzustimmen. Japan ist seit dem Tsunami und der Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 stark von Kohle, Öl und Gas abhängig.

Die Gruppe befürwortete internationale Emissionsstandards für die Treibhausgasemissionen von Wasserstoff. Wasserstoff gilt als «grün», wenn er aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, kann aber auch aus Gas und Kohle hergestellt werden.

Die Frage, wie die erforderlichen Finanzmittel für ärmere Länder zur Bewältigung der Klimakrise bereitgestellt werden sollen, blieb weiterhin offen. Die G7 wiederholte bloss ihre UNO-Verpflichtungen aus dem Jahr 2009, jährlich 100 Mrd. USD für die Klimafinanzierung in Entwicklungsländern bereitzustellen. Erfreulich in Sachen Klimafinanzierung ist, dass die USA zum ersten Mal seit sechs Jahren eine Milliarde Dollar für den Klimafonds der UNO bereitstellen werden. Mehr zum G7 bei der Financial Times (paywall) und zum Beitrag der USA bei Climatechangenews.com.

Politiker:innen der EU und der USA fordern Rücktritt des COP28-Präsidenten

Mehr als 130 Politiker:innen der USA und der EU fordern in einem offenen Brief an die UNO, die EU und den US-Präsidenten, dass der Ölmanager Sultan Al Jaber als Präsident der diesjährigen COP28-Klimakonferenz abgesetzt wird. «Die Entscheidung, den Vorstandsvorsitzenden eines der grössten Öl- und Gasunternehmen der Welt zum Präsidenten der COP28 zu ernennen - ein Unternehmen, das vor kurzem Pläne angekündigt hat, seine Produktion in den kommenden Jahren um 7,6 Milliarden Barrel Öl zu steigern, was die fünftgrösste Steigerung in der Welt darstellt - birgt das Risiko, die Verhandlungen zu untergraben», warnen die Politiker. Mehr dazu auf Euronews und bei Reuters.

Fossile Projekte in Schutzgebieten

Es gibt weltweit über 3000 bereits existierende oder geplante fossile Förderungsprojekte in Naturschutzgebieten. Rund 800 Schutzgebiete in 91 Ländern sind davon betroffen, wie eine neue Studie aufzeigt. Mehr dazu bei Protected Carbon und auf der interaktiven Karte.

Erneuerbarer Strom beginnt Strom aus fossilen Quellen zu verdrängen

Der Klima-Thinktank Ember rechnet in einer Analyse damit, dass schon ab 2023 die globalen Emissionen des Stromsektors sinken könnten. Grund dafür ist die rasant wachsende Wind- und Sonnenenergie. Deren Anteil an der weltweiten Stromversorgung ist 2022 von 10% im Jahr 2021 auf 12 % gestiegen. Solarstrom stieg um 24% und ist damit das 18te Jahr in Folge die am schnellsten wachsende Stromquelle. Die Winderzeugung wuchs um 17%. Der Zuwachs bei Solarstrom im Jahr 2022 hätte den Strombedarf Südafrikas decken können, jener bei der Windenergieerzeugung hätte fast das gesamte Vereinigte Königreich mit Strom versorgen können. Mehr als sechzig Länder erzeugen inzwischen mehr als 10% ihres Stroms aus Wind- und Sonnenenergie. Mehr bei Ember und Carbonbrief.

Europäische Klimapolitik

EU löscht über 2,5 Milliarden Emissionszertifikate

Im europäischen Emissionshandelssystem (ETS) gibt es seit Jahren einen riesigen Überschuss an Zertifikaten. Ein Zertifikat berechtigt zum Ausstoss von 1 Tonne CO2e. Das Überangebot an Zertifikaten kann den Preis so stark drücken, dass es kein Preissignal mehr gibt. Um das zu verhindern, trat 2019 die Marktstabilitätsreserve in Kraft, eine Art Schuhschachtel, in der überflüssige Zertifikate gelagert werden. Wird die Schachtel übervoll, werden Zertifikate gelöscht.

Ende Mai kommunizierte die Europäische Kommission, dass diese Reserve Ende 2022 über 3 Milliarden Überschuss-Zertifikate enthielt und dass am 1. Januar 2023 über 2,5 Milliarden gelöscht wurden. Dieser substanzielle Schritt löste kein Medienecho aus. Zum Vergleich: 2022 waren im ETS der EU etwas über 1 Milliarden Zertifikate im Umlauf. Um die Marktstabilitätsreserve wurde sehr lange politisch gerungen. Dass dieses Politikinstrument nun zur Löschung einer so riesigen Menge von Zertifikaten geführt hat, ist erfreulich. Der Zertifikatspreis für eine Tonne CO2e ist seit Einführung der Marktreserve stark angestiegen und beträgt zurzeit ca. 80 EUR. Es werden wohl auch noch in den kommenden Jahren hunderte Millionen Zertifikate so gelöscht werden. Mehr dazu bei der Europäischen Kommission.

EU will weniger tropische Abholzung verursachen

Die EU importiert viele Produkte, die Abholzung von Tropenwald mitverursachen, zum Beispiel Palmöl aus Indonesien oder Rindfleisch aus Brasilien. Mit einer neuen EU-Verordnung soll nun der Handel mit solchen Produkten verringert werden. Unternehmen müssen nachweisen, dass ihre Waren nicht auf Flächen hergestellt wurden, die nach dem 31. Dezember 2020 abgeholzt wurden. Die neue Verordnung ist Teil des Green-Deal-Plans der EU, mit dem bis 2050 das Netto-Null-Ziel erreicht werden soll.

Die Verordnung gilt für Palmöl, Rindfleisch, Kaffee, Kakao, Soja, Holz und Gummi. Ebenfalls betroffen sind Produkte, die aus diesen Rohstoffen gewonnen werden, wie Leder, Schokolade, Möbel, Holzkohle und bedrucktes Papier. Mais und Biokraftstoffe wurden nicht in die Liste aufgenommen. Die Verordnung konzentriert sich auch nur auf Waldökosysteme, nicht aber auch Savannen wie beispielsweise den brasilianischen Cerrado, die ebenfalls rasant abgeholzt werden.

Einem WWF-Bericht zufolge ist die EU die zweitgrösste Importeurin von Produkten, die tropische Abholzung verursachen. Sie ist für 16% der Entwaldung durch internationalen Handel verantwortlich - übertroffen wird sie nur von China mit einem Anteil von 24%. Ohne das Gesetz würden laut den Berechnungen der EU-Kommission bis 2030 durch den Import von Waren 248’000 Hektar tropischer Wald abgeholzt werden – das entspricht etwa der Waldfläche der Schweiz und der Niederlande zusammen – und jährlich 110 Mio. Tonnen CO2-Emissionen verursachen. Durch die neue Verordnung soll knapp ein Drittel dieser Entwaldung verhindert werden.

Es überrascht nicht, dass das Gesetz bei einigen der betroffenen Länder auf Kritik stösst. Die Regierungen von Indonesien und Brasilien übermittelten dem EU-Ratspräsidenten einen von 14 waldreichen Ländern unterzeichneten Brief, in welchem sie die Verordnung als «inhärent diskriminierend und strafend» kritisieren. Das neue Gesetz würde zu «Handelsverzerrungen und diplomatischen Spannungen ohne Nutzen für die Umwelt» führen. Mehr bei Carbon Brief und der Europäischen Kommission.

Deutschland

Streit um das Heizungsgesetz

Der Streit um das Heizungsgesetz hat die deutsche Ampelkoalition in ihre tiefste Krise gestürzt. Das vorgeschlagene Gesetz sieht vor, dass von 2024 an neu eingebaute Heizungen zu 65% mit erneuerbarer Energie betrieben werden sollen. Öl- und Gasheizungen sollen ab dem kommenden Jahr nur noch im Ausnahmefall eingebaut werden dürfen. Es gibt aber keine sofortige Austauschpflicht. Bei defekten Heizungen, die nicht mehr repariert werden können, gibt es Übergangsfristen. Spätestens bis 2045 sollen auf diese Weise keine fossilen Heizungsträger mehr genutzt werden.

Aber die Koalitionspartnerin FDP stellt sich quer. Die Partei will nach zahlreichen Wahlniederlagen ihr Profil schärfen. Sie kritisiert den zu grossen Fokus auf Wärmepumpen und fordert mehr Technologieneutralität. Ausserdem will die FDP rasch einen Emissionshandel im Gebäudebereich einführen. Die Parteien streiten sich ausserdem darüber, wer wieviel Geld für Energiesanierungen erhalten soll. Ob die Taktik der FDP aufgeht, ist unklar. Fossil heizen wird in den kommenden Jahren teurer werden und die Portemonnaies vieler Bürger:innen belasten. Die SPD will den Heizungsumstieg sozial ausgestalten. Der Bundeswirtschaftsminister Habek von den Grünen will das Heizungsgesetz nun umfassend überarbeiten. Mehr in der Frankfurter Rundschau und der Zeit (paywall) hier, hier, hier und hier.

Razzia gegen Letzte Generation

Die Aktionen der Klimabewegung Letzte Generation lösen grosse Emotionen aus. Ein CDU-Politiker hat sie kürzlich als zukünftige RAF gebrandmarkt. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte über eine Aktion der Letzten Generation «Ich finde das völlig bekloppt, sich irgendwie an ein Bild festzukleben oder auf der Strasse

Im Mai wurden nun Wohnungen von Aktivist:innen der Letzten Generation durchsucht, Konten gesperrt und ihre Website und der Mailverteiler beschlagnahmt. Der Tatvorwurf lautet: die Bildung einer kriminellen Vereinigung und das Nutzen von Spenden im Rahmen von 1,4 Millionen Euro für Straftaten. Die Generalstaatsanwaltschaft München sagte aus, es liege ein begründeter Anfangsverdacht vor, dass die Letzte Generation eine kriminelle Vereinigung sei.

Die mögliche Einstufung als «kriminelle Vereinigung» könnte für die Letzte Generation gravierende Folgen haben. Denn dann würden sich auch Menschen strafbar machen, die den Aktivist:innen Geld spenden. Mehr bei der Zeit (paywall).

Die sichtbare Klimakrise

Was sollten alle über die Klimakrise wissen?

Das Online-Magazin Republik hat bei Klimatolog:innen, Klimaschützer:innen und weiteren Expert:innen nachgefragt, die sich seit Jahren mit dem Klima beschäftigen. Eine lesenswerte Zusammenstellung. Komprimiert wie zum Beispiele: «Die Uhr tickt. Es geht um nichts weniger als darum, die Erde ungefähr so zu erhalten, wie wir sie kennen.» Oder: «It’s warming. It’s us. We’re sure. It’s bad. We can fix it.»

Bedrohungen durch Hitzewellen - heute und in Zukunft

Grosse Teile Asiens waren im April von einer extremen Hitzewelle betroffen. In Thailand, Myanmar, Laos und Vietnam sowie in China und Südasien wurden Rekordtemperaturen gemessen. Die brutalen Folgen der Klimakrise zeigen sich auch in Somalia. Dort herrscht seit fünf Jahren Dürre, weil die Regenzeit ausfällt. Allein im letzten Jahr könnte dies 43’000 Todesopfer gefordert haben, schätzt eine unter der Leitung der London School of Hygiene and Tropical Medicine durchgeführte UNO-Studie. Die Hälfte davon sind Kinder unter 5 Jahren. Mehr dazu im Guardian.

Auch in Nordafrika und Südeuropa war es ungewöhnlich heiss. In Spanien stiegen die Temperaturen Ende April auf fast 40 Grad, in Marokko sogar darüber. In vielen Gebieten lagen die Temperaturen um bis zu 20°C über der jahreszeitlichen Norm. Zudem herrschte bis in den Mai grosse Trockenheit. In Italien und auch in Spanien gab es danach rekordhohe Niederschläge, denen Menschen zum Opfer fielen und die zu grossen Schäden führten. Mehr dazu hier und hier im Spiegel, im Tages-Anzeiger (paywall), der NY Times (paywall) und bei Meteoschweiz.

Die Hitzewelle vom April wäre ohne den Klimawandel mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten. Dies zeigt eine aktuelle Attribution-Studie. Ohne globale Erwärmung wäre mit einem solchen Extremereignis nur einmal in 40’000 Jahren zu rechnen gewesen. Mehr dazu im Guardian und in der NY Times (paywall).

Auch zur Hitzewelle von 2022 in Europa liegen neue Analysen vor. Der Bericht «European State of the Climate 2022» von Copernicus Climate Change Service zeigt, dass die Temperaturen in Europa doppelt so schnell steigen wie im weltweiten Durchschnitt, deutlich schneller als auf jedem anderen Kontinent. Laut dem Copernicus-Klimadienst seien die Ergebnisse erschreckend und machten die alarmierenden Veränderungen des Klimas deutlich. Mehr dazu bei Klimareporter und insideclimatenews.org.

Die Kosten des Klimawandels werden häufig auf monetärer Basis geschätzt. Einen anderen Ansatz wählt eine neue, in Nature erschiene Studie. Darin wird die Anzahl der Menschen berechnet, die ausserhalb der «menschlichen Klimanische» leben, also ausserhalb einer Klimazone, die Landwirtschaft, Gesundheit und Arbeit und damit Einkommen ermöglicht. Durch die Klimakrise sind bereits bis heute etwa mehr als 600 Millionen Menschen (9% der Bevölkerung) aus dieser Nische verdrängt worden. Dies entspricht einer mittleren Jahrestemperatur von 29 °C oder mehr. Bis zum Ende des Jahrhunderts (2080-2100) könnte bei der derzeitigen Politik, die zu einer globalen Erwärmung von etwa 2,7 °C führt, ein Drittel der Menschen ausserhalb dieser Nische leben. Gelingt es, die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, wären fünfmal weniger Menschen betroffen. Mehr im Guardian und der FAZ.

Nie dagewesene Erwärmung der Meere

Seit fast zwei Monaten geschieht in den Ozeanen etwas Aussergewöhnliches. Normalerweise erreichen die globalen Meerestemperaturen im März einen Höchststand und beginnen Anfang April wieder zu sinken. Nicht so in diesem Jahr. Die Temperaturen erreichten Ende April Rekordwerte und sind seither nicht gesunken. Mit leichten täglichen Schwankungen sind sie seit mindestens 45 Tagen nicht mehr unter 21°C gefallen. Viele Wissenschaftler sind überrascht und besorgt. Prof. Mike Meredith vom British Antarctic Survey sagte dazu: «Die Tatsache, dass die Erwärmung so stark ist, ist eine echte Überraschung und sehr besorgniserregend. Es könnte sich um ein kurzzeitiges extremes Hoch handeln, aber auch um den Beginn von etwas viel Ernsterem.»

Die Ozeane, die zwei Drittel der Erde bedecken, spielen eine wichtige Rolle im Klimasystem. Sie haben etwa 90% der Wärme absorbiert, die wir durch den Ausstoss von Treibhausgasen verursacht haben. Die Auswirkungen der Erwärmung der Ozeane sind überall auf der Welt zu spüren. Die thermische Ausdehnung der Ozeane durch die Wärmeaufnahme verschärft den Anstieg des Meeresspiegels, die Erwärmung beschleunigt die Eisschmelze an den Polen.

Auch das Meeresleben ist in Gefahr: Korallenriffe bleichen aus, und Fischpopulationen werden durch die Erwärmung verdrängt. Die «Dämmerungszone» der Ozeane zwischen 200 und 1000 Metern Tiefe ist besonders anfällig für die Erwärmung. Eine Studie in Nature Communications kommt zu Schluss, dass der Klimawandel in diesem Jahrhundert zu einem Rückgang des marinen Lebens in der Dämmerungszone um 20-40% führen wird. Mehr dazu im Tagesanzeiger (paywall), Guardian, SRF und Bill McKibben.

Neues aus der Klimawissenschaft

Düstere Analyse der Klimaentwicklung

Humanitäre, wirtschaftliche und ökologische Folgen des Klimawandels nehmen zu, das zeigt der neuste Bericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Hier die wichtigsten Aussagen:

  • Die Jahre von 2015 bis 2022 waren weltweit die wärmsten seit 1850. Das Jahr 2022 war etwa 1,15 Grad wärmer (im Vergleich zum Durchschnitt 1850-1900).
  • Die atmosphärische Konzentration von CO2, CH4 und N2O war 2021 die höchste seit Beginn der Messungen, Tendenz steigend.
  • Hitzerekorde in Westeuropa: Das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen verzeichneten das Vereinigte Königreich, Frankreich, Irland, Portugal, Spanien, Belgien, Luxemburg, Italien, Deutschland und die Schweiz. In einigen Gebieten ging die extreme Hitze mit aussergewöhnlicher Trockenheit einher. Die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in Spanien, Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Portugal stieg auf über 15’000.
  • In Ostafrika ist die Ernährungssicherheit nach fünf aufeinanderfolgenden Dürrejahren bedroht. Im Jahr 2021 waren global 2,3 Milliarden Menschen von Ernährungsunsicherheit betroffen, davon 924 Millionen von schwerer Ernährungsunsicherheit.
  • Der Meereisstand in der Antarktis war 2022 der niedrigste seit Beginn der Aufzeichnungen. In Europa verzeichneten die europäischen Gletscher Sommer 2022 die höchsten Schmelzraten.
  • Der Meeresspiegel und die Erwärmung der Ozeane haben ein Rekordniveau erreicht - und dieser Trend wird sich über viele Jahrhunderte fortsetzen. Der Anstieg des Meeresspiegels hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt.

Überschreiten wir 1,5-Grad-Erwärmung bereits 2027?

Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) rechnet damit, dass die nächsten fünf Jahre ziemlich sicher alle Temperaturrekorde brechen werden. «Die El-Niño-Wetterlage in Verbindung mit der Klimakrise wird die globalen Temperaturen in unbekanntes Terrain treiben», sagt der Meteorologe und WMO-Chef Petteri Taalas. «Wir müssen darauf vorbereitet sein.»

Nach Schätzungen der WMO werden die globalen Temperaturen mit 66-prozentiger Wahrscheinlichkeit in mindestens einem der nächsten fünf Jahre das 1,5-Grad-Ziel überschreiten. Falls es in den kommenden Jahren zu Hitzerekorden kommt, bedeutet das aber noch nicht, dass die Welt das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens bereits verpasst hat. Dazu muss die Welt im Durchschnitt über mehrere Jahre eine Erwärmung um 1,5 Grad überschreiten.

Allerdings zeichnet sich ab, dass das Klimaziel verfehlt wird. Ein neuer UNO-Bericht der Vereinten Nationen zeigt, dass wir in den nächsten zehn Jahren unser CO2-Budget ausschöpfen werden, das die globale Erwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% auf 1,5 ℃ begrenzt. Mehr bei Klimareporter, New York Times (paywall), Climate Change News und Guardian.

Die Rangliste der Klimasünder

Eine neue Studie in Nature rechnet vor, wie viel jedes Land seit 1850 zur globalen Erwärmung beigetragen hat. Nicht überraschend tragen die USA (18%) und China (13%), die grösste Verantwortung an der Erwärmung. Dahinter folgen Länder mit grossen Bevölkerungszahlen wie Brasilien oder Indien (je 5%) und Indonesien (3,5%). Auch viele europäische Staaten wie Deutschland und Grossbritannien, die seit langem fossile Brennstoffe nutzen, sind weit vorne zu finden.

Kleinere Länder haben einen viel kleineren Einfluss, da nicht pro Kopf gerechnet wurde. Über 180 Staaten, darunter die Schweiz, haben weniger als 1% Anteil, aber alle diese Länder zusammen verursachten 27% der Erwärmung. Mehr dazu im Tages Anzeiger (paywall).

Das wars! Danke und Herzliche Grüsse von Anja und Thomas!

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