Klima-Zeitung

August 2023

Alle zwei Monate ordnen wir alles Wichtige zu Politik und Wissenschaft ein. Für Menschen, die in der Diskussion um die Klimakrise auf dem Laufenden bleiben möchten.

Inhalt

Schweiz

Ja zum Klimaschutzgesetz. Doch wie geht es nun weiter?

Am 18. Juni 2023 haben die Schweizer Stimmberechtigten das Klimaschutzgesetz angenommen - als indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative. 59% stimmten dem Gesetz zu, die Stimmbeteiligung betrug 42,5% (mehr Infos im amtlichen Ergebnis der Bundeskanzlei). Wie die Vox-Analyse des Forschungsinstituts GFS Bern zeigt, fand das Gesetz auch bei Sympathisierenden der Mitte (64%) und der FDP (66%) eine Mehrheit. Als Grund, Ja zu stimmen, nannten laut srf.ch viele einen «akuten Handlungsbedarf im Bereich Umwelt- und Klimaschutz».

Damit wird das Netto-Null-Ziel bis 2050 gesetzlich verankert. Zudem sieht das Gesetz Förderbeiträge für den Ersatz fossiler Heizungen und die Entwicklung neuer Technologien vor. Die Schweiz ist damit das erste Land, das sich in einer Volks­abstimmung zum Netto-Null-Emissions­ziel verpflichtet. Bis die Gelder für den Heizungsersatz fliessen, dauert es aber noch eine Weile. Die entsprechende Verordnung soll Anfang 2025 in Kraft treten, sagte Bundesrat Albert Rösti auf srf.ch.

In der Republik zieht Marcel Hänggi, der Vater der Gletscher­initiative, eine persönliche Bilanz über sein Engagement der letzten sieben­einhalb Jahre. Ein lesenswerter Text über Politmarketing, Schlüsselfiguren, Kompromisse und darüber, wie sich Mehrheiten für die Klima­politik finden lassen.

Gleich nach der Abstimmung begann eine rege mediale Debatte über die notwendigen Schritte, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen und die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien zu erhöhen. Zur Diskussion stehen unter anderem der Bau von Windrädern, Solarpflicht für Gebäude und Ladestationen für Elektroautos. Eine gute Übersicht liefern Tages-Anzeiger und die Zeit, weitere Infos finden sich in der Republik und beim Lamm. Der Tages-Anzeiger (paywall) zeigt zudem in vier Szenarien, wie die Schweiz die Energiewende schaffen kann.

In der Pflicht stehen auch die Kantone, wie Roberto Schmidt, Präsident der Konferenz der Energiedirektoren, im Interview mit dem Tages-Anzeiger klar macht. Voraussichtlich im August wollen die Kantone einen Teil der Mustervorschriften für die Gebäude verschärfen. Auf grossen Dachflächen sei die Einführung einer Solarpflicht nötig.

SVP und FDP fordern derweil den Bau neuer Kernkraftwerke. Zudem sollen die bestehenden AKWs länger laufen, wie dies unter anderem FDP-Ständerat Ruedi Noser verlangt, der sich im Initiativkomitee für die Gletscherinitiative eingesetzt hatte. Damit steht auch wieder die Idee zur Diskussion, die erforderlichen Nachrüstungen der bestehenden AKWs mit öffentlichen Geldern zu unterstützen. Mehr dazu in der NZZ (paywall) und im Tages-Anzeiger. Was die Abhängigkeit von Kernkraftwerken für die Versorgungssicherheit bedeutet, ist an einer Veranstaltung der Schweizerischen Energiestiftung debattiert worden.

Die Stromkonzerne Alpiq und Axpo haben bereits klar gemacht, dass sie das finanzielle Risiko für neue, sehr teure Kernkraftwerke als zu hoch einschätzen, wie auf srf.ch zu lesen ist. Und auch die Bevölkerung lehnt den Bau neuer AKWs ab, wie die Nachbefragung zur Abstimmung zeigte. Nur 30% der Befragten sprechen sich dafür aus, wie der Tages-Anzeiger schreibt. 45% befürworten längere Laufzeiten für bestehende Kernkraftwerke. Die grösste Zustimmung erhält mit 57% eine Solarpflicht auf Neubauten. Damit werden die Ergebnisse einer Umfrage des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen bestätigt, für die im April 2023 rund 1000 Stimmberechtigte befragt wurden (mehr dazu im Tages-Anzeiger).

Die WOZ regt eine Debatte über Wirtschaftswachstum und Umverteilung an. Wächst die Wirtschaft unverändert, so werde damit die Erreichung des Netto-Null-Ziels gefährdet. Die Zeitschrift Beobachter fordert sozialen Ausgleich, damit Menschen mit geringem Einkommen durch die Kosten für künftige Klimaschutzmassnahmen nicht weiter unter Druck geraten.

Absage an Klimazölle, doch Lenkungsabgaben wieder auf der Agenda

Der Bundesrat lehnt die Einführung eines Schweizer Klimazolls ab. Aufgrund regulatorischer und handelspolitischer Risiken ist er dagegen, im Gleichschritt mit der EU einen sogenannten CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) einzuführen. Mit diesem Instrument will die EU das Risiko eindämmen, dass Unternehmen ihre Produktion in Drittstaaten mit weniger strengen Klimaschutzvorschriften verlagern. Anfang Oktober dieses Jahres beginnt in der EU eine Testphase, ab 2026 ist die schrittweise Einführung von Importabgaben vorgesehen. Mit dem ablehnenden Bericht stellt sich der Bundesrat gegen verschiedene Vorstösse des Parlaments, welche die Einführung eines solchen Instruments verlangen. Mehr dazu in der NZZ (paywall) und beim Lamm.

Ein anderes Klimaschutzinstrument steht hingegen wieder zur Debatte: Lenkungsabgaben. Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK) hat einem Vorstoss zugestimmt, alle Treibhausgasemissionen mit einer Lenkungsabgabe zu belegen, also auch Treibstoffe. Mitte-Präsident Gerhard Pfister, der die parlamentarische Initiative eingereicht hat, will damit erreichen, dass Treibhausgasemissionen einen verursachergerechten Preis erhalten. Die Einnahmen aus der Abgabe sollen vollständig an die Bevölkerung und die Unternehmen zurückerstattet werden. Wie schwierig eine Umsetzung ist, weiss auch die Umweltkommission. Ziel sei es nicht, den «bewährte Instrumentenmix abrupt umzustossen, sondern eine vertiefte Diskussion zur Wirksamkeit und Akzeptanz klimapolitischer Massnahmen zu führen.» Mehr dazu in der NZZ (paywall).

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Rückläufiger CO2-Ausstoss und das Problem mit den Kühe

In der Schweiz ist 2022 weniger CO2 ausgestossen worden als im Vorjahr. Im Verkehr sanken die Emissionen bei Benzin- und Dieseltreibstoffen gegenüber 2021 um 1,1%. Sie lagen damit um 5,5% tiefer als 1990. Als Gründe für den Rückgang nennt das Bundesamt für Umwelt den wachsenden Anteil an Elektrofahrzeugen am Strassenverkehr sowie die Veränderung des Mobilitätsverhaltens als Folge der Corona-Pandemie. Dass die Emissionen nicht stärker zurückgehen, führt der WWF darauf zurück, dass die Fahrzeugflotte, die neu auf die Strassen kommt, in der Schweiz besonders schwer und damit europaweit am schmutzigsten sei. Der CO2-Ausstoss von Brennstoffen (vor allem Öl und Gas) ging witterungsbereinigt um 4,9% zurück. Dazu führten unter anderem die bessere Energieeffizienz von Gebäuden und der zunehmende Einsatz erneuerbarer Energien beim Heizen. Mehr dazu auf srf.ch.

Neben Verkehr und Gebäude trägt auch die Landwirtschaft erheblich zu den Treibhausgasemissionen bei, vor allem durch die Tierhaltung und den damit verbundenen Ausstoss von Methan, einem hochwirksamen Klimagas. Neu bezahlt der Bund Direktzahlungen, wenn Bauern ihre Milchkühe ein bis zwei Jahre länger leben lassen, wie die NZZ am Sonntag (paywall) berichtet. Weil Kühe in den ersten Lebensjahren keine Milch geben, aber bereits grosse Mengen Klimagase ausstossen, soll sich damit die Klimabilanz verbessern.

Andere Staaten erwägen den entgegengesetzten Weg: Die irische Regierung hat vorgeschlagen, über 200’000 Kühe zu schlachten, um so den Treibhausgasausstoss der irischen Landwirtschaft zu senken. In der Schweiz will Franzsika Herren den Tierbestand über die Ernährungsinitiative reduzieren. Das Volksbegehren ist Mitte Juni eingereicht worden, wie der Tages-Anzeiger (paywall) weiss. Die Bernerin hatte bereits die Trinkwasserinitiative lanciert, die 2021 vom Volk abgelehnt worden war. Die neue Initiative will den Bund zu Massnahmen verpflichten, um eine auf pflanzlichen Lebensmitteln basierende Ernährungsweise zu fördern.

Der Bauernverband will verhindern, dass Tierbestände reduziert werden. Dazu hat er einen Bericht zu den Klimawirkungen von Methan erstellt. Der Bauernverband stützt sich dabei auf eine Studie der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz über die Klimawirkung kurzlebiger Treibhausgase, primär Methan. Der Autor kommt zum Schluss, dass die heute angewendete Umrechnungsformel den Effekt von Methan aufs Klima kurzfristig, das heisst für nächste Jahrzehnte, stark unterschätzt, längerfristig jedoch überschätzt. Nach der neuen Formel wäre der heutige Methanausstoss der Landwirtschaft in CO2-Äquivalenten umgerechnet sechs- bis siebenmal geringer. Klimaforschende weisen jedoch darauf hin, dass die Methanemissionen bis 2050 global um mindestens 50% zu reduzieren seien, um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das erfordert auch die Reduktion der Tierbestände. Mehr dazu im Tages-Anzeiger (paywall).

Mit Biogasanlagen, die Mist und Gülle verarbeiten, lassen sich Methanemissionen eindämmen. Der Wirtschaftsverband swisscleantech verlangt in einem Positionspapier bessere Rahmenbedingungen für solche Anlagen. Konkret soll die energetische und stoffliche Nutzung von Bioabfällen, so weit technisch möglich und wirtschaftlich tragbar, zur Pflicht werden. Zudem seien verbindliche Ausbauziele und Abgeltungen festzulegen sowie erneuerbare Gase von der CO2-Abgabe zu befreien. Und auch importierte erneuerbare Gase aus dem Ausland seien anzuerkennen.

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Wie Parlament und Bundesrat erneuerbare Energien ausbauen wollen

Das Parlament ist uneinig, wie erneuerbare Energien auszubauen sind: Beim Energie-Mantelerlass haben sich National- und Ständerat noch nicht auf einen Kompromiss einigen können. Das Gesetz kombiniert die Revision von Energiegesetz und Stromversorgungsgesetz und soll die Weiterentwicklung der Energieversorgung regeln. Differenzen gibt es einmal bei der Solarpflicht. Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK) hält weiter daran fest, dass für alle Neubauten sowie für erhebliche Umbauten und Erneuerungen die Pflicht eingeführt werden soll, PV-Module zu montieren. Der Ständerat hatte eine Solarpflicht in der Sommersession abgelehnt.

Die beiden Räte haben auch unterschiedliche Positionen, was die Restwassermengen von Wasserkraftwerken angeht. Die UREK des Nationalrats verlangt, dass die Restwasservorschriften für bestehende Wasserkraftwerke unter gewissen Bedingungen gelockert werden kann. Bei einer drohenden Mangellage soll der Bundesrat die Restwassermengen auf ein Minimum reduzieren können. Der Ständerat hatte in der Sommersession entschieden, dass diese Massnahme nicht nur Mangellagen ergriffen werden kann, sondern auch dann, wenn dies zum Erreichen der Produktionsziele nötig ist. Mehr dazu bei energate.ch.

Einig sind sich die Räte darin, dass der Bau von Kraftwerken in Biotopen von nationaler Bedeutung sowie in Wasser- und Zugvogelreservaten weiterhin ausgeschlossen bleiben soll. Hingen soll der Bau in neu entstehenden Gletschervorfeldern und alpinen Schwemmebenen möglich sein. Mehr zur Debatte zum Mantelerlass auf srf.ch, NZZ (paywall) und watson.ch.

Nach dem «Solarexpress» hat das Parlament auch den «Windexpress» beschlossen, ein dringliches Gesetz zur Beschleunigung von fortgeschrittenen Windkraftprojekten. National- und Ständerat einigten sich in der Sommersession darauf, die Bewilligungsverfahren für Windenergieprojekte zu vereinfachen. Neu sollen kantonale Behörden die Baubewilligung erteilen, nicht wie bisher die Gemeinden. Ein Weiterzug ans Bundesgericht wäre nur noch beschränkt möglich. Die Erleichterungen gelten für grosse Windenergieanlagen und solange, bis schweizweit eine zusätzliche Leistung von 600 Megawatt Windenergie installiert ist. Bis jetzt ist kein Referendum angekündigt worden; die Frist läuft bis zum 5. Oktober 2023. Mehr dazu bei nau.ch und der Sonntagszeitung (paywall).

Zusätzlich zu «Solarexpress» und «Windexpress» will der Bundesrat mit dem «Beschleunigungserlass» den Ausbau der Stromproduktion fördern. Dieser sieht vor, die Verfahren für die Planung und den Bau grosser Solar-, Wind- und Wasserkraftwerke von nationalem Interesse zu vereinfachen. Die Botschaft zur Änderung des Energiegesetzes hat er ans Parlament überwiesen. Der Beschleunigungserlass sieht vor, alle erforderlichen Schritte in einem Verfahren zusammenzufassen: Nutzungsplan, Baubewilligung, Spezialbewilligung, allfällige Enteignung und Erschliessung. Auch der Rechtsmittelweg soll verkürzt werden: Auf kantonaler Ebene wäre künftig nur noch eine Beschwerde an das obere kantonale Gericht möglich. Lokale und kantonale Organisationen könnten gegen solche Projekte keine Beschwerde mehr einreichen. Hingegen wären Standortkantone und -gemeinden sowie gesamtschweizerisch tätige Organisationen wie der WWF oder Pro Natura weiterhin beschwerdeberechtigt. Mehr dazu in der NZZ (paywall), der Aargauer Zeitung und auf srf.ch.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien in den Schweizer Alpen verletze die Europäische Alpenkonvention, sagt der Geschäftsführer der Alpenschutzorganisation Cipra International in der Wochenzeitung. Der 1991 von der Schweiz mitunterzeichnete Vertrag bildet die rechtliche Grundlage, um die sensiblen alpinen Ökosysteme und die regionalen kulturellen Identitäten zu schützen.

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Lässt sich der Ausbau der Erneuerbaren umweltverträglich gestalten?

Eine Studiengruppe der ETH Zürich will eine grundsätzliche Debatte lancieren, wie der alpine Raum angesichts von Klimawandel und Energiewende neu gestaltet werden soll. Allein durch das Abschmelzen der Gletscher werden bis Ende dieses Jahrhunderts 800 Quadratkilometer freigelegt, eine Fläche so gross wie der Kanton Neuenburg. Eine Diskussion, was damit geschieht, gibt es nicht. Unter der Leitung von Landschaftsarchitekt Günther Vogt und Alpenforscher Thomas Kissling haben Architekturstudierende Szenerien der künftigen Entwicklung erarbeitet. Die Studiengruppe fordert, dass Nutzungsschwerpunkte künftig nicht mehr nach rein kommerziellen Kriterien definiert werden. Vielmehr soll die Nutzung dort intensiviert werden, wo bereits viel Infrastruktur steht. Im Gegenzug sollen unzugängliche Regionen mit hohem landschaftlichem Wert wie etwa das Triftgebiet im Berner Oberland von kommerzieller Nutzung ausgeschlossen sein. Das bisher unveröffentlichte Projekt wird im Magazin ausführlich vorgestellt. Hintergrundinformationen zum Thema «Alpine Landschaften profilieren» finden sich beim Departement Architektur der ETH.

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Zahlen und Projekte zu neuen Solar-, Wind und Geothermieanlagen

Die Solarenergie gewinnt in der Schweiz an Bedeutung. 2022 wurden 58% mehr Produktionskapazität installiert als im Vorjahr. Damit deckte Solarstrom gemäss Bundesamt für Energie rund 7% des Schweizer Strombedarfs ab. Die Jahresproduktion der landesweit installierten PV-Anlagen lag bei 3800 Gigawattstunden Strom, was rund der Hälfte der Produktion im Kernkraftwerk Gösgen entspricht. Wie weit der Ausbau der Solarenergie in den einzelnen Gemeinden ist, lässt sich auf tagesanzeiger.ch (paywall) abrufen.

Um die Ausbauziele zu erreichen, sind allerdings weiterhin enorme Anstrengungen nötig. Das Szenario «Energieperspektiven 2050+» des Bundes sieht für das Jahr 2050 fast zehnmal so viel Solarstrom vor. Mit dem derzeit im Parlament diskutierten Mantelerlass soll ein Grossteil dieses Ausbaus bereits bis 2035 erreicht werden. Im laufenden Jahr erwartet der Branchenverband Swissolar einen ähnlich grossen Zubau von Photovoltaikanlagen wie 2022. Allerdings wird die Entwicklung durch den Mangel an Fachkräften gebremst. Mehr dazu beim Tages-Anzeiger und der NZZ (paywall).

Trotz des Wachstums gehört die Schweiz europaweit weiterhin zu den Schlusslichtern, was den Ausbau der erneuerbaren Energien betrifft. Gemäss der neuen Auswertung der Schweizerischen Energiestiftung (SES) wird nur in Rumänien, Tschechien, Slowenien, der Slowakei und Lettland weniger Solar- und Windstrom pro Kopf produziert. Von 28 untersuchten Ländern liegt die Schweiz wie im Vorjahr auf Position 23. In Dänemark und Schweden, welche die Rangliste anführen, werden pro Kopf sieben bis acht Mal so viel Strom aus Sonnen- und Windkraft gewonnen wie in der Schweiz.

Solarprojekte: Die Gemeindeversammlung von Laax hat der alpinen Solaranlage bei der Bergstation Vorab zugestimmt, wie die Südostschweiz schreibt. Damit will das Elektrizitätsunternehmen Repower, zusammen mit der Gemeinde und dem Bergbahnunternehmen, jährlich 2200 Haushalte mit Strom versorgen. Deutlich grösser sind die Pläne des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich (EWZ). Der Stromversorger will in den nächsten Jahren alpinen Solarstrom für 58'000 Haushalte produzieren. Ein Projekt soll im Skigebiet von Savognin, auf dem Gemeindegebiet von Surses, realisiert werden. Eine zweite Anlage ist in der Gemeinde Rheinwald geplant. Die Bewilligung der beiden Gemeinden steht noch aus. Mehr dazu in der NZZ (paywall).

In der Republik ist zu lesen, was einen Bergbauern dazu bringt, ein Projekt für eine alpine Solaranlage zu lancieren. Das Projekt Morgeten Solar will auf der gleichnamigen Alp im Simmental 3000 Haushalte mit Strom versorgen.

Eine Hürde für die Realisierung der Anlagen ist der Netzanschluss. Weil Stromleitungen fehlen, ist nach Grengiols Solar bereits ein zweites Grossprojekt im Wallis stark redimensioniert worden: Vispertal Solar. Von den ursprünglich geplanten 800'000 Solarmodulen wird wohl nur die Hälfte realisiert, schreibt die Sonntagszeitung (paywall). Und die NZZ (paywall) zeigt Notwendigkeit und Hürden beim Ausbau des Schweizer Stromnetzes auf.

Windprojekte: Die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ), das EWZ und das Stadtwerk Winterthur wollen gemeinsam Windenergieanlagen realisieren. Unter dem Namen «Zürich Wind» sollen Entwicklung, Finanzierung, Bau und Betrieb im Kanton Zürich zusammengelegt werden. Mit der Kooperation reagieren die Stromversorger auf den Plan von Energieminister Martin Neukom zur Windenergie. Bis 2050 will der Kanton rund 7% des kantonalen Strombedarfs mit lokaler Windenergie decken. Die neue Windstrategie sieht 120 Windräder an über 40 Standorten vor. Gegen die Pläne haben SVP-nahe Kreise in zahlreichen Gemeinden im Kanton Zürich Einzelinitiativen zur Einführung von Mindestabstandsregeln eingereicht. Das gleiche Ziel will die SVP mit einer parlamentarischen Initiative auf kantonaler Ebene erreichen. Mehr dazu hier und hier im Tages-Anzeiger.

In Muttenz BL hat die Bevölkerung dem Bau einer Windenergieanlage zugestimmt. Das Windrad soll in Zukunft 800 Haushalte mit Strom versorgen, rund ein Zehntel der Gemeinde. Vor zwei Jahren war das Projekt an der Gemeindeversammlung abgelehnt worden. Doch ein Gymnasiast, der heute für die GLP politisiert, hatte mit einer Petition eine zweite Abstimmung ermöglicht. Mehr dazu auf bazonline.ch und bzbasel.ch.

Um das Tiefengeothermieprojekt im Jura setzten sich lokale Gegner mit rabiaten Mitteln zur Wehr. Laut dem Tages-Anzeiger (paywall) kam es zu Sachbeschädigungen, Sabotageakten und es wurden Morddrohungen gegen Verantwortliche ausgesprochen. In der Gemeinde Haute-Sorne sollen 6000 Haushalte mit Strom versorgt werden, der aus der Wärme im jurassischen Untergrund gewonnen wird. Das Projekt wird vom Bund unterstützt. Derzeit laufen Probebohrungen, die rund um die Uhr bewacht werden.

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Energieverbrauch, Notfallpläne und eine neue Wasserstoff-Initiative

Der milde Winter hat zu einem rückläufigen Energieverbrauch geführt. Gegenüber dem Vorjahr sank der Verbrauch um 3,9%, wie die neusten Zahlen des Bundesamts für Energie zeigen. Neben der Witterung trugen auch die Energie-Sparkampagne des Bundes sowie der Anstieg der Energiepreise zur Reduktion des Energieverbrauchs bei. Der Treibstoffverbrauch im Flug- und Autoverkehr nahm leicht zu, lag aber weiterhin unter dem Wert von 2019 vor der Corona-Pandemie.

Der warme Winter war auch der Grund, weshalb die Versorgung mit Strom und Gas ausreichend war. Dennoch hat der Bund weitere Massnahmen ergriffen, um die Energieversorgung zu sichern. Mit der Wasserkraftreserve werden Kraftwerksbetreiber verpflichtet, Wasser zurückzuhalten, das bei einer Mangellage genutzt werden kann. Bis im Juli wurden dazu bereits zwei Ausschreibungen abgeschlossen. Bis 2026 bestehen Verträge mit Reservekraftwerke in Birr AG, Cornaux NE und Monthey VS, die aus Gas und Erdöl Strom produzieren können. Das Bundesamt für Energie will sich diese Reserveleistung für 15 weitere Jahre sichern. Die Ausschreibung dazu wurde Ende Juli gestartet. Dagegen hat die Bewegung Klimastreik ihren Widerstand angekündigt. Mehr dazu im Tages-Anzeiger und auf srf.ch.

Beim grünen Wasserstoff droht die Schweiz den Anschluss an Europa zu verpassen. In der EU wird ein über 50’000 Kilometer langes Pipelinenetz geplant, um eine klimaneutrale Energieversorgung aufzubauen. Womöglich werden diese Leitungen an der Schweiz vorbeiführen werden, wie die NZZ am Sonntag (paywall) und der Tages-Anzeiger (paywall) aufzeigen. Die Kantone werfen dem Bundesrat Untätigkeit vor und verlangen, dass dieser rasch eine Wasserstoffstrategie verabschiedet.

Die Schweiz soll selbst grünen Wasserstoff produzieren. Dieses Ziel verfolgt ein Projekt der beiden eidgenössischen Hochschulen ETH und EPFL, das vom Mäzen Hansjörg Wyss unterstützt wird. Die geschätzten Projektkosten belaufen sich in einer ersten Phase auf 100 Millionen Franken. Mit überschüssigem Strom soll im Sommer Wasserstoff produziert werden. Zusammen mit dem aus industriellen Prozessen abgetrennten CO2 sollen grünes Methanol oder Methan hergestellt werden, die sich besser speichern lassen als Wasserstoff. Das Projekt startet Anfang 2024, ab 2028 sollen Demonstrationsanlagen betrieben werden. Zu den ersten industriellen Partnern gehören die Fluggesellschaft Swiss und das Energieunternehmen Alpiq. Mehr dazu in der NZZ (paywall).

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Fossilfreie Mobilität im Gleichschritt mit der EU

Der Bundesrat will keinen vorzeitigen Verkaufsstopp für Benzin- und Dieselfahrzeuge. Das macht er im Bericht zum Postulat «Fossilfreien Verkehr bis 2050 ermöglichen» deutlich. Stattdessen soll die Umstellung auf den CO2-neutralen Verkehr «im Gleichschritt und analog zu den Massnahmen der EU» erfolgen. Im Bericht aufgeführt sind verschärfte CO2-Zielwerte, das heisst CO2-Emissionsvorschriften für Neufahrzeuge, die analog zur EU fortgeführt und angepasst werden. Dies hatte der Bundesrat bereits in der Botschaft zur Revision des CO2-Gesetzes festgehalten. Falls die EU ab 2035 wie geplant Nullemissionsziele für Neufahrzeuge einführt, würde damit auch der Verkauf von Benzin- und Dieselautos auch in der Schweiz verunmöglicht, zeigt die Aargauer Zeitung auf.

Mit der CO2-Revision soll der Bundesrat zudem die Kompetenz erhalten, eine Quote für die Beimischung von erneuerbaren Treibstoffen festzulegen. Damit sollen die CO2-Emissionen des Verkehrs um 5-10% gesenkt werden. Dies hätte Mehrkosten von drei bis sechs Rappen pro Liter zur Folge. Anfang Juli haben in der Umweltkommission des Ständerats die Beratungen zum CO2-Gesetz begonnen. Das haben SVP und der TCS zum Anlass genommen, in der Sonntagszeitung die mögliche Preiserhöhung für Treibstoffe zu kritisieren.

Wie jeden Sommer sorgen die Staus am Gotthard für Schlagzeilen. Nationalrät:innen von Mitte, GLP und FDP haben die Diskussion mit einer Motion zusätzlich belebt. Sie fordern, dass die Durchfahrt durch den Gotthardtunnel kostenpflichtig werden soll. An Ostern, Auffahrt, Pfingsten und im Sommer soll die Maut am meisten kosten. Ähnliche Vorschläge hatte das Parlament in der Vergangenheit abgelehnt. Mehr dazu auf srf.ch und in der NZZ am Sonntag (paywall), NZZ (paywall). Das Tessin reagierte empört über den neuen Vorstoss einer Tunnelgebühr am Gotthard, wie Tages-Anzeiger (paywall) und nau.ch berichten. In einer repräsentativen Befragung von Tamedia und «20 Minuten befürworteten 69% eine Strassengebühr.

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Wo die Schweiz die planetaren Grenzen verletzt

Die Schweiz überschreitet die planetaren Grenzen in verschiedenen Bereichen. Die zeigt eine Studie des Forschungsunternehmens econcept im Auftrag von Greenpeace. Dazu wurden die konsumbedingten Umweltbelastungen im In- und Ausland entlang des gesamten Produktlebenszyklus untersucht und hinsichtlich der planetaren Grenzen bewertet. In vier von sechs ökologischen Dimensionen wird die Belastung für Ökosysteme deutlich überschritten: bei Klimaveränderung, Biodiversitätsverlust, Wasserverbrauch und Stickstoff, der von der Landwirtschaft in Gewässer und Atmosphäre gelangt. Beim Landverbrauch und dem Phosphor (durch den Einsatz von Dünger) sind die Grenzen erreicht. Werden planetare Grenzen überschritten, sind die Stabilität der Ökosysteme und damit unsere Lebensgrundlage gefährdet.

Zwar konnten in den letzten Jahren dank der technischen Entwicklung in verschiedenen Bereichen Effizienzsteigerungen erzielt werden. Aber diese Effekte sind durch gestiegene Konsummengen teilweise wieder aufgehoben worden. Für eine Trendumkehr, schreiben die Autor:innen, sei deshalb gesellschaftlicher Wandel notwendig. Dazu beschreiben sie acht verschiedene Ansätze und bewerten deren Beitrag zur Transformation zu einem sozialgerechten Leben innerhalb der planetaren Grenzen. Diese reichen von Suffizienzpolitik über Bürger:innenversammlungen und Kreislaufwirtschaft bis zur sogenannten Donut-Ökonomie. Die Studie zeigt keinen Königsweg auf, vielmehr könnten je nach Fokus unterschiedliche Ansätze miteinander kombiniert werden.

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Beschwerde wegen Greenwashing, South Pole weiter in der Kritik

Die Stiftung für Konsumentenschutz hat beim Staatssekretariat für Wirtschaft Beschwerde wegen unlauteren Wettbewerbs gegen acht Unternehmen eingereicht. Dazu gehören Swisscom, Coca-Cola Schweiz, der Autovermieter Avis sowie der Zoo Zürich. Der Konsumentenschutz wirft den Firmen vor, mit «Schönfärberei und haltlosen Behauptungen in Bezug auf Klimafreundlichkeit» Konsument:innen in die Irre zu führen. Gegen drei der Unternehmen wurde zudem bei der Schweizerischen Lauterkeitskommission Beschwerde wegen unlauterer Werbung eingereicht. Damit will die Stiftung die inflationäre Verbreitung von Aussagen über die Klimaneutralität von Produkten und Dienstleistungen eindämmen.

Viele der Klimaversprechen werden über eine CO2-Kompensation erreicht. Verschiedene Studien zeigen, dass diese Zertifikate nicht erreichen, was sie versprechen. Ein aktuelles Arbeitspapier der ETH Zürich, der University of Cambridge und der Harvard University kommt zum Schluss, dass 88% der existierenden freiwilligen Kompensationsprojekte nicht zu Emissionsreduktionen beitragen. Dazu wurden Studien untersucht, für die über 2000 solcher Projekte evaluiert worden waren.

In der Schweiz gibt es bis heute keine Regulierung zu Greenwashing, im Gegensatz zu unseren Nachbarländern. Das Europäische Parlament will die Verwendung von Slogans wie «CO2-neutral» oder «kohlenstoffneutral» verbieten. Mehr dazu im Tages-Anzeiger und bei Infosperber.

Schon länger in der Kritik stehen Waldprojekte. 90% davon leisten keinen Beitrag zur Treibhausgasreduktion, berichteten der Guardian hier und hier und die Zeit (paywall) vor ein paar Monaten. Der Druck auf South Pole, Weltmarktführer für freiwillige CO2-Kompensationen mit Sitz in Zürich, hat seither nochmals zugenommen. Erste Firmen, die ihre Klimabilanz mithilfe von South Pole aufbessern wollten, haben ihre Zusammenarbeit beendet, andere wie Nespresso, Lavazza und Booking.com haben Hinweise auf das Kariba-Projekt von ihren Websites entfernt, dem Prestigeprojekt von South Pole.

In der Gegend von Kariba in Simbabwe sollen 750’000 Hektaren Wald geschützt werden, das entspricht fast einem Fünftel der Fläche der Schweiz. Für diese Fläche hat South Pole für mindestens 100 Millionen Dollar CO2-Zertifikate verkauft. Gründliche Recherchen von SRF, der Zeit und vom niederländischen Recherchekollektiv  «Follow the Money» zeigen, wie intransparent die Geldflüsse sind und wie wenig von der versprochenen Hilfe bei der Landbevölkerung ankommt. Im Gebiet leben mehr als 300'000 Menschen. Im Tages-Anzeiger erklärt Bastion Girod, Chef des Europa-Geschäfts von South Pole und Nationalrat der Grünen, warum er weiterhin auf Waldprojekte setzt und auch mit Öl- und Gaskonzernen zusammenarbeitet. Mehr dazu auf srf.ch und in der NZZ (paywall). In einer vierteiligen Podcast-Serie beleuchtet SRF das Geschäftsmodell der Klimakompensation, hier Folge 1.

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Politische Urteile gegen Klimaaktivist:innen und weitere Aktionen

Bei Prozessen gegen Klimaaktivist:innen fällen Gerichte politische Urteile. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Universitäten Bern und Lausanne, für die 150 Urteile zu Klimaprotesten analysiert wurden. Gewaltfreier Widerstand werde von den Richter:innen wie ein Verbrechen behandelt und nicht wie ein Vergehen. Meist werden die Protestierenden aufgrund von Nötigung verurteilt. Laut den Autor:innen der Studie würden die Gerichte dem Recht auf Privatbesitz und Bewegungsfreiheit mehr Gewicht einräumen als der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit. Mehr dazu bei Le Courrier (paywall) und watson.ch.

Mitglieder der Protestorganisation «Renovate Switzerland» haben mit weiteren Aktionen den Verkehr blockiert, unter anderem am Tag nach der gewonnenen Abstimmung zum Klimaschutzgesetz. Die damit verbundenen Massnahmen würden nicht ausreichen, um die Zukunft junger Menschen zu schützen, begründeten sie die Aktionen. Im Tages-Anzeiger erklärt Konfliktforscher Felix Anderl, weshalb eine gesunde Demokratie solche Proteste brauche und weshalb Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit in einer Demokratie zentral seien. Der Nachrichtendienst des Bundes warnt vor Radikalisierung der Klimabewegung, berichtet watson.ch. Und die NZZ (paywall) geht der Frage nach, warum sogenannte Klimakleber für viele zum Feindbild wurden.

In einer neuen Umfrage wurden 120 Experten aus Soziologie, Politikwissenschaft und verwandten Disziplinen dazu befragt, was soziale Bewegungen erfolgreich macht. Fast 70% der befragten Akademiker:innen bewerteten störende Protesttaktiken als «ziemlich wichtig» für den Erfolg einer Bewegung. Viele der Expert:innen bewerten den strategischen Einsatz von gewaltfreien Störtaktiken sogar als zentral für den Erfolg einer Bewegung. Die Ergebnisse widersprechen der öffentlichen Meinung, denn die Mehrheit der Bevölkerung glaubt, dass störende Proteste den Zielen der Aktivisten schaden. Laut den Expert:innen können durch störende Klimaproteste langfristig - trotz kurzfristiger Empörung und Rückschlägen - kulturelle Veränderungen ausgelöst werden. Die Störung des Alltagslebens ist oft der beste Weg, um die Aufmerksamkeit der Medien zu erregen, die Sichtbarkeit einer Sache zu erhöhen und politische und wirtschaftliche Veränderungen voranzutreiben. Mehr dazu im Guardian.

Am 30. September findet eine nationale Klimademo in Bern statt. Damit will die Klima-Allianz, welche den Anlass organisiert, kurz vor den nationalen Wahlen vom 22. September, auf die Bedrohung durch die Klimakrise aufmerksam machen und Klimagerechtigkeit einfordern.

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Klimarelevante Entscheide von Bund und Kantonen

Der Bund will laut der NZZ am Sonntag (paywall) Förderbeiträge für Bauern mehr als verdoppeln, damit sie ihre Betriebe an den Klimawandel anpassen können. Die Subventionen sollen jährlich rund 185 Millionen CHF betragen. Hinzukommen zinslose Darlehen von über 400 Mio. CHF. Die Gelder sollen für den Bau von Bewässerungsanlagen für Trockenperioden und Drainageanlagen gegen Starkniederschläge eingesetzt werden. Auch die Modernisierung von Ställen soll subventioniert werden, um das Entweichen von klimaschädlichem Ammoniak zu reduzieren.

Der Bundesrat will die Forschung zu Energie- und Klimafragen ausbauen. Er hat einen Vorschlag für zusätzliche Gelder für das laufende Forschungsförderungsinstrument SWEET (SWiss Energy research for the Energy Transition) in die Vernehmlassung geschickt. Bisher steht für die Periode 2021 bis 2032 ein Kredit von 136,4 Millionen CHF zur Verfügung. Neu soll eine zweite Tranche über 135 Mio. CHF (von 2025 bis 2036) vergeben werden. Damit sollen Fragen zur Energieversorgungssicherheit der Schweiz geklärt werden, vor allem was die Speicherung von Sommerstrom und die Dekarbonisierung der Wirtschaft betrifft.

Die Stadt Zürich will die Subventionen für den Ersatz von Öl- und Gasheizungen erhöhen, wie der Tages-Anzeiger berichtet. Ursprünglich bewilligte das Stadtparlament dafür 13,5 Mio. CHF. Die Nachfrage nach den Geldern ist nun aber grösser als erwartet. Deshalb beantragt der Stadtrat weitere 6,5 Mio. CHF für das Programm.

Im September stimmt die Zürcher Stadtbevölkerung über die Initiative «Stadtgrün» ab. Diese verlangt, dass die Stadt mindestens 1% der jährlichen Steuereinnahmen der Stadt Zürich (aktuell rund 30 Millionen CHF) für die Begrünung von Plätzen und das Pflanzen von Bäumen aufwendet, um die Hitze in der Stadt zu bekämpfen. Der Gegenvorschlag zur Initiative, über den auch abgestimmt wird, sieht jährliche Mittel von 11 Millionen vor (130 Mio. bis ins Jahr 2035). Mehr dazu in der NZZ und auf nau.ch.

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Internationale Klimapolitik

Erneuerbare Stromproduktion wächst rekordschnell

Die höheren Preise für fossile Brennstoffe und die Sorge um die Energiesicherheit treiben den globalen Ausbau von Photovoltaik und Windkraft voran, wie die neusten Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA) zeigen. Der weltweite Zubau an erneuerbaren Energien wird 2023 um einen Drittel auf mehr als 440 GW ansteigen - der grösste absolute Zuwachs aller Zeiten. In Europa wachsen die erneuerbaren Energien schnell und stehen an vorderster Front bei der Bewältigung der Energiekrise. Auch in den Vereinigten Staaten und Indien werden neue politische Massnahmen in den nächsten zwei Jahren zu einem erheblichen Anstieg beitragen. China festigt unterdessen seine führende Position und wird sowohl 2023 als auch 2024 fast 55% zum weltweiten Zuwachs an erneuerbarer Energiekapazität beitragen. 2024 wird die Gesamtkapazität der erneuerbaren Energien weltweit auf 4500 GW anwachsen, was der gesamten Stromerzeugung Chinas und der Vereinigten Staaten entspricht. Mehr bei IEA. Weitere Studien und Prognosen zum exponentiellen Wachstum der Solar-, Wind- und Batteriekapazitäten finden sich bei RMI und Systems Change Lab.

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Länder verhandeln besseren Schutz des Amazonas

In Brasilien fand erstmals seit 14 Jahren eine Konferenz der Amazonas-Staaten statt. Sie hatte das Ziel, die wirtschaftliche Entwicklung mit dem Schutz des Regenwalds zu vereinbaren. Zwei Drittel der Fläche des Amazonas liegen in Brasilien. Der Rest erstreckt sich auf Teile von Kolumbien, Peru, Venezuela, Bolivien, Guyana, Französisch-Guyana, Suriname und Ecuador.

Zum Auftakt des Gipfeltreffens kündigte Brasiliens Präsident Lula da Silva an, die Abholzung des Regenwaldes in Brasilien bis 2030 vollständig zu stoppen. Lula hatte bereits bei seinem Amtsantritt angekündigt, stärker gegen die illegale Abholzung vorzugehen, und in den letzten Monaten ging die Abholzung bereits deutlich zurück.

Vor Beginn des Gipfels forderten Vertreter von indigenen Gemeinschaften einen besseren Schutz ihrer Landrechte, darunter auch ein Verbot neuer Ölförderungen im Amazonas. Diese sind umstritten: Während Lula neuen Ölförderungen durchaus offen gegenübersteht, sprach sich der kolumbianische Staatschef Petro für eine Drosselung aus. In der Abschlusserklärung des Amazonasgipfels wurde unter anderem eine Amazonas-Allianz zur Bekämpfung der Abholzung und ein gemeinsames Luftkontrollsystem gegen illegale Rodungen vereinbart. Die Staaten konnten sich jedoch weder auf verbindliche Ziele noch auf ein Verbot neuer Bohrungen einigen. Mehr dazu in der Zeit (paywall) hier und hier.

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G-20 enttäuscht einmal mehr

Die Energie- und Klimaminister der G20-Ländergruppe trafen sich im Juli in Indien, um Klima- und Energieziele zu diskutieren. Die Treffen wurden im Vorfeld als entscheidende Etappen auf dem Weg zu nächsten Klimaverhandlung (COP28 in Dubai) angesehen. Die Treffen endeten jedoch ohne einen Konsens über den globalen Ausstieg aus fossilen Energien und ohne ein Ziel für erneuerbare Energien. Besonders kritisiert wurde dabei die Blockadehaltung Russlands und Saudia-Arabiens. Mehr dazu in der Zeit (paywall) und Euronews.

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China setzt auf Kohle und erneuerbare Energie. Wie passt das zusammen?

Oft wird argumentiert: «Ach was nützt es, wenn wir was gegen den Klimawandel tun, schau doch mal China an!» Doch die Rolle Chinas ist vielschichtig, wie ein Kommentar des China- und Klimaexperten Li Shuo im Guardian aufzeigt. Es stimmt, China ist der weltweit grösste Energieverbraucher und Emittent von Treibhausgasen. Aber China ist auch der grösste Produzent erneuerbarer Energien.

Chinas Solarkapazität beträgt zurzeit 228 Gigawatt (GW). Das ist mehr als der Rest der Welt zusammen. Und auch Chinas Windkraftkapazität ist mit 310 GW die weltweit grösste. Mit weiteren 750 GW an neuen Wind- und Solarprojekten in der Pipeline wird China sein Ziel für 2030 von 1’200 GW bereits fünf Jahre früher erreichen.

Chinas riesiges Wachstum bei Wind- und Solarenergie sowie bei Elektrofahrzeugen ist das Ergebnis einer aggressiven Industriepolitik. Diese zeichnet sich durch konsequente staatliche Unterstützung, gut integrierten Lieferketten, Wettbewerb, Innovation und Grössenvorteile des riesigen Landes aus. Chinas Vorherrschaft im Bereich sauberer Technologien wirft für andere Länder wichtige Fragen auf. Sind westliche Länder bereit, vergleichbar grosse wirtschaftliche und politische Schritte zu unternehmen, um ihre Produktion sauberer Technologien voranzutreiben? Andere Länder können von China lernen, auch wenn Lösungsansätze nicht einfach kopiert werden können.

Chinas erfolgreiche Politik für saubere Technologien hat aber mehr mit seiner Wirtschaftsstrategie zu tun als mit Klimaschutz. Es ist die Wachstums- und Infrastrukturförderung, die Chinas sauberen Energiesektor angekurbelt hat. Und es ist genau die gleiche Logik, welche die Entwicklung bei der Nutzung von Kohle vorantreibt. Allein für das erste Quartal 2023 haben die Provinzregierungen in China mindestens 20 GW an neuen Kohleprojekten bewilligt.

Die Herausforderung für China besteht darin, seine sauberen Technologien weiter voranzutreiben, aber aus der Kohle auszusteigen. Klimadiplomatie könnte hier entscheiden sein. China muss von den westlichen Staaten immer wieder aufgefordert werden, seinen Kohlekurs zu ändern. Im Juli führte der US-Klimabeauftragte John Kerry erstmals wieder Gespräche mit seinem chinesischen Amtskollegen Xie Zhenhua. Die Zusammenarbeit zwischen den USA und China im Klimabereich fand lange Zeit trotz der geopolitischen Spannungen statt, aber die Gespräche waren nach dem Besuch Nancy Pelosis in Taiwan im Jahr 2022 eingefroren. Vor der COP28 sind zwei weitere Treffen geplant. Mehr dazu im Guardian, bei Infosperber und bei Climate Change News.

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Schifffahrt setzt sich neue, aber unzureichende Klimaziele

Die internationale Schifffahrt verursacht etwa 3% der globalen Treibhausgasemissionen. Die Weltschifffahrtsorganisation IMO hat Anfang Juli eine neue Klimastrategie verabschiedet. Die Branche soll nun «bis oder um 2050» netto keine Treibhausgase mehr ausstossen. Das ist eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur alten Klimastrategie aus dem Jahr 2018, die Emissionen der Schifffahrt bis 2050 zu halbieren.

Zudem wurden Zwischenziele für 2030 und 2040 verabschiedet. Im Jahr 2030 sollen die Emissionen 20% unter denen des Jahres 2008 liegen, im Jahr 2040 soll eine Reduktion von 70% erreicht werden. Diese Ziele sind ein Fortschritt, aber immer noch deutlich zu niedrig, wie Berechnungen der Science Based Target Initiative zeigen.

Die Industriestaaten und viele Entwicklungsländer hatten denn auch deutlich ehrgeizigere Ziele gefordert. Unterstützung erhielten sie von Verbänden der Schifffahrtsindustrie und von der weltgrössten Containerreederei, Maersk. Die dänische Reederei will bis 2040 das Netto-Null-Ziel erreichen. China, Brasilien, Argentinien, Russland und Saudi-Arabien hingegen wollten die Zwischenziele für 2030 und 2040 verhindern und nur ein schwammiges Bekenntnis zum Netto-Null-Ziel im Jahr 2050 abgeben.

Ebenfalls diskutiert wurde eine CO2-Abgabe für die Emissionen der Schifffahrt. Die kleinen Inselstaaten forderten eine Abgabe von 100 US-Dollar pro Tonne CO2 und hatten dafür die Unterstützung der EU sowie einiger anderer Länder. Doch auch hier stiessen sie auf Gegenwehr der grossen Schwellenländer.

Umweltorganisationen zeigen sich enttäuscht von der neuen IMO-Klimastrategie. Damit steigt nicht zuletzt der Druck auf die EU, für eine stärkere Reduktion der Emissionen aus der Schifffahrt zu sorgen. Mehr bei Klimareporter und ClimateChangeNews.

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Gipfeltreffen für globalen Finanzierungspakt

Fast 40 Staats- und Regierungschefs trafen sich im Juni in Paris zum Gipfel des französischen Präsidenten Macron für einen neuen globalen Finanzierungspakt (Summit for a New Global Financing Pact). Das zweitägige Treffen, das Finanzreformen für mehr Klimaschutz vorantreiben sollte, brachte einige Fortschritte. Doch das grundlegende Problem der Verschuldung armer Länder und die daraus resultierende Unfähigkeit, in Klimaschutz und Armutsbekämpfung zu investieren, wurde nicht angegangen.

Zum Schluss einigten sich die Staats- und Regierungschefs darauf, dass sie einen neuen Ansatz für die Investitionen wollen, um die Länder aus der Armut, der Auslandshilfe und der Klimakrise zu befreien. Zudem soll ein Fahrplan für neue Diskussionen über die Erreichung dieser Ziele festgelegt werden. Dabei wurde der Grundsatz festgelegt, dass sich der Finanzbedarf auf Billionen und nicht auf Milliarden belaufen wird und der grösste Teil davon aus dem privaten Sektor kommen muss. Private Initiativen sollen durch öffentliche Gelder angekurbelt werden. Doch die Gräben zwischen Arm und Reich waren tief und bleiben bestehen. Mehr dazu im Guardian hier und hier , NY Times (paywall), Bloomberg (paywall) und Politico.

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Blackrock nimmt CEO von Saudi Aramco in den Vorstand auf

Blackrock, der grösste Vermögensverwalter der Welt, gab Anfang Juli bekannt, dass er Amin Nasser, einen bekannten Kritiker von Klimaschutzmassnahmen und CEO des weltgrössten Ölkonzerns Saudi Aramco, in seinen Vorstand berufen hat.

Larry Fink, der CEO des Unternehmens, hat jahrelang erklärt, dass Umwelt-, Sozial- und Corporate-Governance-Erwägungen (bekannt als ESG) für das Geschäft von entscheidender Bedeutung seien. Dieser Ansatz geriet jedoch in den letzten zwei Jahren zunehmend unter Beschuss von konservativen Politikern in den USA, die BlackRock als «woke» kritisierten. Mehrere Politiker in konservativen Bundesstaaten haben als Vergeltung Milliarden ihrer Vermögenswerte aus den Kassen des Unternehmens abgezogen.

Brad Lander, der Rechnungsprüfer von New York, hat die Ernennung Nassers scharf kritisiert. BlackRock ist der grösste externe Geldverwalter der Stadt New York. Lander sagte: «BlackRock hat klar erklärt, dass das Klimarisiko ein Investitionsrisiko ist, aber Taten sagen mehr als Worte. In einer Zeit, in der Finanzinstitute einen kollektiven Ansatz zur Bewältigung der finanziellen Risiken des Klimawandels verfolgen müssen, erwarten die Aktionäre von BlackRock klima-kompetente und nicht klima-konfliktbehaftete Direktoren.» Mehr dazu bei CNN, in der NY Times (paywall) und bei Bill McKibben.

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Europäische Klimapolitik

Die Natur in Europa soll besser geschützt werden

Europa hat kaum noch intakte Natur und die wenigen Überbleibsel sind oft stark bedroht. Die EU-Kommission hat mit dem EU-Renaturierungsgesetz (EU Nature Restoration Law) einen wichtigen Vorschlag gemacht, wie Europas Natur besser geschützt werden soll. In den letzten Wochen und Monaten haben im EU-Parlament vor allem die konservativen und rechten Fraktionen gegen den Gesetzesentwurf gekämpft. Anfang Juli hat das Europäische Parlament mit knapper Mehrheit dem Gesetzesvorschlag zugestimmt. Damit werde ein «Meilenstein für den europäischen Naturschutz gelegt», kommentierte der Naturschutzbund Deutschland (NABU). Progressive konnten sich gegen konservative und rechtsextreme Parteien durchsetzen, die bis zuletzt mit der Streuung von Falschaussagen Aufsehen erregten.

Dieser Sieg hatte jedoch seinen Preis: Um einen Kompromiss zu erreichen, wurden der ursprüngliche Vorschlag der Kommission deutlich abgeschwächt. Das Parlament strich insbesondere den Artikel zur Renaturierung von landwirtschaftlichen Flächen und Torfgebieten. Das hätte wesentlich zur Speicherung von CO2 in Böden und zum Schutz von Biodiversität beitragen können.

Trotzdem ist das Gesetz ein deutlicher Fortschritt. Bislang gab es im EU-Recht keine verbindlichen Ziele zur Wiederherstellung verschiedener Ökosysteme. Dies obwohl knapp 80% der geschützten natürlichen Lebensräume in Europa geschädigt sind, wie die Umweltverbände WWF Deutschland und NABU aufzeigen. Das soll nun durch dieses Gesetz geändert werden. Bis 2030 sollen mindestens 20% der Land- und Meeresflächen renaturiert werden. Mehr dazu bei auch bei Euractiv und der ARD.

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Hürden beim Ausbau der erneuerbaren Energien beheben

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist oft mit vielen Hürden verbunden. Für viele dieser Hemmnisse gibt es gute Lösungen, wie eine Studie des Öko-Instituts zeigt:

    • In vielen europäischen Ländern sind die Genehmigungsprozesse oft viel zu komplex. Es gibt hohe administrative Hürden und keine ausreichenden Kapazitäten bei den zuständigen Behörden. Die Studie empfiehlt dazu sogenannte One-Stop-Shops, wo sich Prozesse zentral, einfacher und transparenter abwickeln lassen.

    • Auch Vorbehalte und Einwände durch Stakeholder führen zu wesentlichen Verzögerungen. Bürger:innen sollen während eines klar definierten Zeitfensters an Planungsprozessen beteiligt werden. Ist dieses Zeitfenster geschlossen und die Genehmigung erteilt, darf diese nicht mehr angreifbar sein. Kommunen könnten sich auch finanziell beteiligen, was laut der Studie zu mehr Akzeptanz führen kann.

    • Neue Anlagen beeinträchtigten oft den Umwelt- und Naturschutz, und Umweltverträglichkeitsprüfungen sind aufwendig und teuer. Die Studieautor:innen schlagen vor, notwendige Untersuchungen möglichst zentral für grössere Flächen durchzuführen und die Ergebnisse zur Verfügung zu stellen. So lassen Vorhaben bündeln und müssen nicht einzeln oder sogar mehrfach geprüft werden.

    • Beim sogenannten Re-Powering werden bestehende Windräder durch neuere, effizientere Anlagen ersetz, die mehr Strom erzeugen können. Bisher braucht es dafür in vielen Ländern einen umfassenden neuen Genehmigungsprozess, obwohl eine Änderungsprüfung ausreichend wäre.

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Die EU muss künftig auf «Mr. Green Deal» verzichten

«Mr. Green Deal geht von Bord»“, titelte die TAZ, nachdem Vize-Präsident Frans Timmermans verkündete, die EU-Kommission im Herbst zu verlassen. Der Mitbegründer des Europäischen Green Deal wird sich der niederländischen Politik zuwenden und bei den nationalen Neuwahlen im November als gemeinsamer Kandidat der Sozialdemokraten und Linksgrünen antreten. Die Ankündigung ruft in den Reihen des Europäischen Parlaments gemischte Gefühle hervor. Mehr dazu beim ZDF oder beim Spiegel.

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Grossbritannien will mehr Öl und Gas fördern

Die britische Regierung will so viel Öl und Gas wie möglich aus der Nordsee fördern. Premierminister Rishi Sunak kündigte im Juli an, mehr als 100 neue Bohrlizenzen zu vergeben. Sein Pressesprecher argumentierte, dies sei «völlig vereinbar» mit dem Netto-null-Ziel bis 2050, da auch dann noch fossile Brennstoffe benötigt würden und die heimische Versorgung weniger Transporte erfordere. The Climate Change Committee (CCC), der wissenschaftliche Ausschuss, der die britische Regierung in Sachen Klimapolitik berät, warnte hingegen, dass Länder die Förderung fossiler Brennstoffe nicht ausweiten, sondern dringend reduzieren oder sogar einstellen müssten.

Sunak versprach auch 20 Milliarden Pfund für CO2-Abscheidung und -speicherung. Untersuchungen zeigen, wie das Potenzial dieser Technologie in den letzten zwei Jahrzehnten mehrfach als Rechtfertigung für die Verlängerung der Kohleverstromung und den Bau von Gaskraftwerken genutzt wurde. Mehr dazu im Guardian.

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Deutschland

Abstimmung zum Heizungsgesetz verschoben

Nach erbittertem Streit über das Gebäudeenergie-Gesetzes (GEG) hat die Regierungskoalition nun eine Einigung erzielt. Das GEG, auch bekannt als «Heizungsgesetz», soll wie geplant ab 2024 in Kraft treten, vorerst jedoch nur in Gebieten mit vorhandenen kommunalen Wärmeplänen (mehr dazu beim Kompetenzzentrums Kommunale Wärmewende). In Kommunen ohne Wärmepläne dürfen vorerst weiterhin neue klimaschädliche fossile Heizungen eingebaut werden. Alle Kommunen, über 10.700 an der Zahl, sollen nach dem aktuellen Gesetzesentwurf bis spätestens Mitte 2028 Wärmepläne erstellen. Neue Heizungen sollen mindestens zu 65% mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Allerdings wurden auf Druck der FDP eine Vielzahl an Heizoptionen zugelassen – unter anderem ineffiziente Wasserstoffheizungen.

Beim Kauf neuer Heizungen soll eine Basisförderung von 30% gewährt werden, die bis 2028 durch einen Bonus von weiteren 20% ergänzt wird, wenn die Umstellung früher als gesetzlich vorgeschrieben erfolgt. Einkommensschwache Haushalte können eine Maximalförderung von bis zu 70% erhalten. Allerdings konnte der Bundestag das GEG nicht wie geplant vor der Sommerpause verabschieden. Nach Einlenken des Bundesverfassungsgerichts – mehr dazu beim Spiegel (paywall) hier oder hier – wird nun erst im September darüber abgestimmt.

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Deutsches Klimaschutzgesetz wird abgeschwächt

Bereits im Koalitionsvertrag der Ampelregierung wurde festgeschrieben, dass das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) überarbeitet werden soll. Dies, weil sich bisher «keine Sau dran gehalten» habe, so Klimaminister Robert Habeck. Gemeint ist etwa die Pflicht zum Vorlegen sogenannter «Sektor-Sofortprogramme» der zuständigen Ministerien, falls zuvor die Emissionsziele eines Sektors nicht eingehalten wurde. Mehr dazu bei der Frankfurter Rundschau. Mitte Juni stellte der Minister dazu nun konkrete Pläne vor. So soll etwa die Verbindlichkeit der Sektorziele gänzlich abgeschafft werden, und es sollen nicht mehr einzelne Ressorts für die Zielerfüllung verantwortlich sein. Zur Zielerfüllung soll vielmehr die gesamte Bundesregierung sorgen. Dies ist seit längerem schon ein Anliegen der FDP. Über 40 Umwelt- und Sozialverbände sehen darin aber eine eklatante Abschwächung der Sektorziele, das zentrale Klimaschutzinstrument Deutschlands. Darüber hinaus räumte Minister Habeck ein, dass Deutschland seine Klimaziele 2030 trotz grosser Fortschritte verfehlen werde. Die Gesetzesänderung soll nach der Sommerpause in den parlamentarischen Prozess gehen. Weiterführende Informationen beim Klimareporter.

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Industriestrompreis unter Kritik

In Deutschland wird derzeit über die Einführung eines Industriestrompreises zur Entlastung industrieller Grossverbraucher diskutiert. Auf Vorschlag der Grünen sollen diese einen deutlich reduzierten Preis von nur 6 Cent/kWh zahlen, um die Elektrifizierung der Wirtschaft zu fördern. Befürworter:innen argumentieren, dass dies Arbeitsplätze sichere, die Wettbewerbsfähigkeit stärke und die Energiewende unterstütze. Gegner:innen kritisieren, dass dies zu Mehrkosten für Privathaushalte führen könnte, da die Subvention von geschätzt 25 bis 30 Milliarden Euro für die Industrie an anderer Stelle aufgefangen werden müssen. Industrieunternehmen würden entlastet, obwohl sie weiterhin hohe CO2-Emissionen verursachen. Ohnehin beziehen grosse Industrien schon heute weitaus günstiger Strom als Haushalte. Ökonomen warnen unterdessen vor der Einführung des Industriestrompreises. Fehlende Marktsignale würden zu mangelnder Innovationsbereitschaft der Industrien führen, so das Handelsblatt. Mehr dazu hier und hier.

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Die sichtbare Klimakrise

Hitzewellen, Feuer, Stürme und Überschwemmungen

Weltweit bricht dieser Sommer Rekorde. Hier nur eine kurze Aufzählung: dramatische Hitzewellen in vielen Teilen der Welt, Feuersbrünste in Kanada, Griechenland, Hawaii und vielen anderen Ländern (hier und hier). In Peking regnete es im Juli in nur 72 Stunden fast 7.5 m, das entspricht ungefähr der durchschnittlichen Jahresmenge an Niederschlag oder 7500 Liter pro m2. Es kam zu sintflutartigen Überschwemmungen. Global war der Juli der heisseste Monat seit Beginn der Aufzeichnungen. Wahrscheinlich ist es seit mindestens 120’000 Jahren nicht so warm gewesen.

Eine Studie von World Weather Attribution (WWA) zeigt, dass Hitzewellen der vergangenen Wochen mit Rekordtemperaturen von teilweise über 45 Grad Celsius in Südeuropa, China, Mexiko und den USA ohne den Klimawandel extrem unwahrscheinlich gewesen wären. «Die Rolle des Klimawandels ist absolut überragend», erklärte die Klimatologin Friederike Otto vom Imperial College London. Die Studie kam zum Ergebnis, dass die Hitzewellen in Europa und den USA durch die globale Erhitzung mindestens 950- bzw. 4400-mal wahrscheinlicher wurden. Im heutigen heisseren Klima werden solche Hitzewellen in China etwa alle fünf Jahre, in Europa alle zehn Jahre und in den USA alle 15 Jahre erwartet, und sie werden noch häufiger auftreten, wenn die Emissionen weiter steigen.

Hitzewellen gehören zu den tödlichsten Naturgefahren. Allein in Europa starben 2022 mindestens 61’000 Menschen an Hitze. In der Schweiz sind letzten Sommer über 600 Menschen an den Folgen der Hitze gestorben. Auch ohne Klimawandel wäre der Sommer heiss gewesen, aber es hätte laut einer neuen Studie schätzungsweise 60% weniger Todesfälle gegeben (also 370 weniger).

Mehr im Guardien hier, hier, hier, der Zeit (paywall), Klimareporter, Insideclimatenews, Tagesanzeiger (paywall), NY Times global heat tracker, Carbon brief und srf.ch.

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Neues aus der Klimawissenschaft

Steht der Nordatlantik vor dem Kipppunkt?

Die Atlantische Umwälzströmung sorgt für den Austausch warmer und kalter Wassermassen im Ozean und hält Europa warm. Sie versorgt zudem die Tiefen der Meere mit Sauerstoff und ist damit lebenswichtig für marine Ökosysteme. Doch die Strömung hat einen Kipppunkt, ab dem sie versiegt, wenn im nördlichen Atlantik zu viel Süsswasser das Meerwasser verdünnt und am Absinken hindert. Drei neuere, in Nature veröffentlichte Studien zeigen (hier, hier und hier), dass der Kipppunkt wahrscheinlich deutlich näher ist, als bislang gedacht und schon in den nächsten Jahrzehnten erreicht sein könnte.

Wenn die Atlantische Umwälzströmung abbricht, käme es in Nordwesteuropa zu einer deutlichen Abkühlung, vor allem auf den Britischen Inseln und in Skandinavien. Der Meeresspiegel im Nordatlantik würde zusätzlich um bis zu einem Meter ansteigen. Europa drohten deutlich heftigere Stürme. Die tropischen Niederschlagsgürtel würden sich nach Süden verschieben – Trocken- und Regenzonen würden damit nicht mehr über den Ökosystemen liegen, die dazu passen. Und der Ozean würde deutlich weniger CO2 aufnehmen– derzeit sind es 25%, d.h. mehr CO2 würde in der Atmosphäre bleiben und das Klima weiter aufheizen.

Stefan Rahmstorf, Klima- und Meeresforscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sagt, die neueren Studien würden deutlich machen, dass es zwar nach wie vor eine grosse Unsicherheit gäbe, wie nahe die Kipppunkte sind. «Doch Unsicherheit ist nicht unser Freund. Denn noch einmal: Hier geht es um Risiken, die wir mit Sicherheit ausschliessen wollen. Für mich zeigen die Studien, dass das Risiko, noch in diesem Jahrhundert den Kipppunkt zu überschreiten, keineswegs kleiner als zehn Prozent ist, wie wir vor Jahren noch glaubten. Ich halte es inzwischen für um ein Vielfaches grösser.» Mehr von Stefan Rahmsdorf im Spiegel, auf Scilogs und auf Realclimate.

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Vier Grafiken zeigen das Ausmass der Veränderungen

Die folgenden Grafiken stammen von eine Twitterthread von Rico Grimm. Sie fassen die gemessenen Veränderungen eindrücklich zusammen.

Die Oberflächentemperatur der Erde (schwarz) liegt 2023 weit über dem historischen Mittel (graues Band). Besorgniserregend ist, wie steil und nachhaltig dieser «Ausbruch» aus dem Band war.

Dies nächste Grafik zeigt gemittelte Temperaturen an der Oberfläche der Meere. Das aktuelle Jahr (schwarz) hat sich sehr weit vom historischen Durchschnitt entfernt. Die Anomalie erscheint mit 0,25 Grad klein. Aber die Weltmeere sind gigantisch gross. Deswegen haben bereits kleine Abweichungen grosse Folgen.

Die hohen Temperaturen führen dazu, dass sich in der Antarktis (dort ist Winter) deutlich weniger Eis bildet. Schwarz gestrichelt ist das aktuelle Jahr, weit unter dem historischen Schnitt. Es fehlt neu gebildetes Eis von der sechsfachen Fläche Deutschlands. Mehr dazu hier.

Eine andere Darstellung von @EliotJacobson macht das Ausmass des fehlenden Eises noch deutlicher. Die nach unten abfallende rote Linie zeigt das aktuelle Jahr.

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Wie vegane Ernährung dem Klima hilft

Mit der Ernährung das Klima retten? Rettung ist vielleicht ein grosses Wort, doch eine pflanzenbasierte Ernährung kann den persönlichen CO2-Fussabdruck erheblich reduzieren. Zahlreiche Studien belegen, wie stark eine auf Fleisch und Milchprodukten basierende Diät das Klima belastet. Ermittelt wurden diese Ergebnisse mithilfe von Modelldiäten und Durchschnittswerten. Für eine neue, in Nature Food veröffentliche Studie wurden nun die realen Ernährungsgewohnheiten von 55’000 Menschen in Grossbritannien und auch Daten von gegen 40'000 Landwirtschaftsbetrieben analysiert. Die Resultate sind deutlich: Wer sich rein pflanzlich ernährt, stösst bis zu drei Viertel weniger Klimagase aus als bei einer fleischreichen Ernährung von 100 Gramm Fleisch pro Tag oder mehr. Auch Wasserverschmutzung und Landverbrauch sind deutlich geringer.

Die Studie zeigt auch, dass bereits die Reduktion des Fleischkonsum eine grosse Wirkung hat. Bei einem Fleischkonsum von weniger als 50 Gramm pro Tag reduzieren sich die Auswirkungen auf das Klima um die Hälfte. Würden die britischen Fleischkonsument:innen diesen Schritt tun, hätte das den ähnlich grossen Effekt, wie wenn 8 Millionen fossil betriebene Autos aus dem Verkehr gezogen würden. Die Autor:innen der Studie betonen, dass der Staat Massnahmen einführen sollte, um Menschen dabei zu unterstützen, ihren Fleischkonsum zu reduzieren. Dies sei erforderlich, um die Klimaziele zu erreichen. Mehr dazu im Guardian und in der NY Times (paywall).