Klima-Zeitung

August 2022

Alle zwei Monate ordnen wir alles Wichtige zu Politik und Wissenschaft ein. Für Menschen, die in der Diskussion um die Klimakrise auf dem Laufenden bleiben möchten.

Inhalt

Schweiz

Der Ukrainekrieg und die Sicherheit der Gas- und Stromversorgung

Als Folge des Ukrainekriegs fliesst deutlich weniger Gas aus Russland in die EU. Davon ist auch die Schweiz betroffen, da sie über keine eigenen Gasspeicher verfügt und vollständig von Importen abhängig ist, die zu drei Viertel via Deutschland erfolgen. Der Bundesrat schliesst deshalb eine Mangellage im nächsten Winter nicht aus. Die Schweizer Gasbranche versucht, Gasreserven in Speichern in den Nachbarländern einzurichten. Zudem sollen Verträge über Optionen für zusätzliche nicht-russische Gaslieferungen abgeschlossen werden. Sollte Russland die Gaslieferung nach Europa weiter reduzieren, will der Bund zuerst mit Sparappellen an die Bevölkerung und in einem letzten Schritt mit einer Kontingentierung reagieren. Von Einschränkungen wären in erster Linie Industriebetriebe betroffen, die in ihrer Produktion Erdgas einsetzen.

Auch bei der Stromversorgung hält der Bundesrat eine Mangellage für möglich. In Frankreich werden derzeit zahlreiche Kernkraftwerke revidiert, unter anderem weil an älteren Reaktoren Korrosionsschäden entdeckt wurden (NY Times). Zudem zeichnet sich ab, dass die Schweizer Stauseen bis im Herbst nur unterdurchschnittlich gefüllt sein werden (Tages-Anzeiger, Paywall). Auf diese Risiken will der Bundesrat ebenfalls mit Sparaufrufen und bei drohender Unterversorgung mit Kontingentierung für Grossverbraucher oder kurzzeitigen Abschaltungen reagieren. Mehr dazu im Tages-Anzeiger (hier (Paywall) und hier) und in der NZZ (Paywall).

Die SVP nutzt die Unsicherheit bei der Versorgung für einen Angriff auf die vom Volk verabschiedete Energiestrategie. Die Partei fordert unter anderem Investitionen von CHF 20 Milliarden in eine unabhängige Energieversorgung, die sofortige Planung und Realisierung von neuen Kernkraftwerken, den Bau von Erdgaslagern im Inland sowie die Aussetzung des Verbandsbeschwerderechts, um Kraftwerkprojekte rascher zu realisieren.

Vorstösse von SVP, FDP und der Mitte, die Abgaben auf Treibstoffen zu senken und so den Anstieg der Energiepreise abzufedern, sind vom Parlament in der Sommersession abgelehnt worden. Mehr dazu in der Handelszeitung. Die gestiegenen Treibstoffpreise haben den Verbrauch der Schweiz nicht verringert, wie der Tages-Anzeiger berichtet.

Die SVP steht auch hinter der Idee, alte Pläne zur Förderung von Erdgas in der Schweiz zu reaktivieren. Die Partei fordert den Bundesrat auf, die Förderung von Erdgas im Inland «ernsthaft zu prüfen». In der Westschweiz und im Tessin werden Reserven vermutet, umfassende geologische Untersuchungen liegen allerdings nicht vor. Am weitesten fortgeschritten sind die Pläne im Tessin, wo eine Investorengruppe der Ansicht ist, bis 2025 Gas fördern zu können. In der Schweiz war bisher einzig in Finsterwald im Entlebuch Erdgas gefördert worden, von 1985 bis 1994. Mehr dazu in der SonntagsZeitung (Paywall) sowie im Tages-Anzeiger (hier und hier, Paywall).

Hitzewellen in der Schweiz – gesundheitliche Risiken und Gletscherschmelze

In der Schweiz ist 2022 der zweitheisseste Juni seit Messbeginn 1864 registriert worden. Laut MeteoSchweiz stiegen die Tageshöchstwerte an mehreren Messstandorten auf neue Junirekorde. Im Juli trat eine zweite, noch intensivere Hitzewelle auf, so dass für die gesamte Schweiz, ausgenommen den Alpenraum, eine Hitzewarnung erfolgte. Am 25. Juli ermittelte MeteoSchweiz mit einem Wetterballon, dass die Nullgradgrenze auf 5184 Meter gestiegen war. Das ist der höchste Wert, der jemals gemessen wurde.

Fachleute rechnen damit, dass in diesem Sommer in der Schweiz einige Hundert Menschen aufgrund der Hitze frühzeitig sterben, berichtet das SRF. Aufgrund der Hitze waren im Sommer 2015 in der Schweiz rund 800 zusätzliche Todesfälle zu verzeichnen. Wegen der Trockenheit wurde der Wasserverbrauch in einzelnen Ortschaften eingeschränkt. Das Bundesamt für Umwelt hat in mehreren Flüssen die höchsten Temperaturen seit Messbeginn registriert (SRF). Weil die Pegelstände einiger Fliessgewässer stark sanken und sich das spärlicher fliessende Wasser erwärmte, wurden in mehreren Kantone Fische abgefischt und in kühlere Flussabschnitte umgesiedelt. Aufgrund der hohen Temperaturen der Aare musste das Kernkraftwerk Beznau, das mit Flusswasser gekühlt wird, die Leistung auf die Hälfte reduzieren. Eine vollständige Abschaltung hat das Bundesamt für Energie mit Blick auf die Versorgungssicherheit verhindert (nau.ch). Die tiefen Pegelstände beeinträchtigen auch den Schiffverkehr auf dem Rhein. Um die Versorgung mit Heizöl und Treibstoffen sicherzustellen, hat das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung Pflichtlager freigegeben. Mehr dazu im Blick, bei Nau und in der NZZ.

Die Hitze lässt auch die Gletscher schneller abschmelzen. Fachleute sind beunruhigt über ihren Zustand. Neben der frühen und intensiven Hitze setzt den Gletschern zu, dass im Winter wenig Schnee fiel und sich zudem viel Saharastaub ablagerte, was die Oberfläche verdunkelt und wodurch mehr Sonnenstrahlung absorbiert wird. Fachleute warnen davor, dass Gletscherabbrüche wie jener von Anfang Juli in den Dolomiten, der elf Personen in den Tod riss, auch in der Schweiz möglich seien. Mehr dazu in der NZZ (Paywall) und auf SRF.

Wie schnell Aletsch-, Rhone- und weitere grosse Gletscher der Schweiz in Zukunft abschmelzen, zeigen Simulationen der ETH Zürich und der Universität Freiburg. Ohne Klimaschutzmassnahmen verschwinden vier der fünf grössten Eisströme bis 2075 vollständig. Einzig vom Gornergletscher bleibt bis dann noch ein kleiner Rest übrig. Der Tages-Anzeiger zeigt den Gletscherschwund im Zeitraffer.

Der Klimawandel führt auch dazu, dass die Alpen grüner werden. In einer in Science veröffentlichen Studie zeigen Forschende der Universitäten Basel und Lausanne, wie das Wachstum der Vegetation in den europäischen Alpen oberhalb der Baumgrenze zugenommen hat. Die Analyse von Satellitendaten von 1984 bis 2021 macht deutlich, dass Pflanzenarten aus tieferen Lagen in die Höhe wandern. Dadurch geraten spezialisierte Pflanzen, die sich an die Höhe angepasst haben, unter Druck. Zwar nehmen die Biomasse und die CO2-Speicherung zu, doch die Biodiversität nimmt ab. Mehr dazu in der NZZ (Paywall).

Der CO2-Fussabdruck der Schweiz ist 20 bis 30 Mal grösser

Die CO2-Emissionen, welche die Schweiz im Inland verursacht, betragen knapp 0,1% des globalen Ausstosses. Werden allerdings die Emissionen hinzugezählt, die in der Schweiz tätige Konzerne verantworten, sind es 2-3%. Dies zeigte eine Studie des Beratungsunternehmens McKinsey auf, die der Wirtschaftsverband Economiesuisse und der WWF in Auftrag gegeben hatten. Dies entspricht etwa dem CO2-Fussabdruck von Indonesien, Japan oder Brasilien. Eineinhalbmal so viel CO2 wie im Inland entstehen durch Importe und Flugreisen. Der grösste Anteil entfällt auf die Aktivitäten global tätiger Unternehmen sowie des Finanzplatzes. Mehr dazu in der NZZ am Sonntag (Paywall).

Gletscherinitiative: Am indirekten Gegenvorschlag wird weiter gefeilt

Der Nationalrat hat am 15. Juni den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative gutgeheissen und ist damit dem Vorschlag seiner Umweltkommission gefolgt. Das Ziel Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050 soll zum Gesetz werden. Darin sollen auch ein verbindlicher Absenkpfad sowie konkrete Fördermassnahmen verankert werden. Unter anderem soll der Ersatz fossiler und elektrischer Heizungen durch Wärmepumpen und Fernwärme über zehn Jahre mit insgesamt CHF 2 Milliarden unterstützt werden; in der Aargauer Zeitung (Paywall) eine Analyse dazu von Klimawissenschaftler Anthony Patt. Voraussichtlich im Herbst befasst sich der Ständerat mit der Gletscherinitiative. Die Umweltkommission des Ständerats will die Massnahmen allerdings abschwächen. Der Fonds, aus dem der Heizungsersatz unterstützt wird, soll halbiert und damit auch andere Gebäudesanierungen finanziert werden. Dadurch ist unsicher, ob das Initiativkomitee die Initiative zurückzieht oder daran festhält, so dass das Volk doch über die Initiative abstimmen wird. Mehr dazu in der NZZ (Paywall) und im Tages-Anzeiger.

Viele Strategien, um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen, setzen auf negative Emissionen, also die Entnahme von CO2 aus der Luft und dessen Speicherung, entweder auf biologischem (z.B. Aufforstung) oder technologischem Weg. Die Klimastrategie des Bundes vertraut auf solche negative Emissionen und der Vorschlag des Nationalrats für einen indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative schliesst dies nicht aus. Das Magazin «die umwelt» des Bundesamts für Umwelt stellt verschiedenen Technologien, die CO2 direkt aus der Luft zu entfernen, vor.

Energieverbrauch steigt, der Ausbau von Solaranlagen ebenfalls

Im Jahr 2021 ist der Endenergieverbrauch der Schweiz um 6,3% gestiegen. Aufgrund der Massnahmen gegen die Covid-19-Pandemie war er im Vorjahr um 10,6% gesunken. Das Bundesamt für Energie erklärt den Anstieg mit der Lockerung der Restriktionen gegen die Pandemie, der gegenüber 2020 kälteren Witterung und dem langfristigen Wachstumstrend von Wohnbevölkerung, Bruttoinlandprodukt sowie von Wohnungs- und Motorfahrzeugbestand.

Gestiegen ist auch die Leistung der 2021 neu installierten Photovoltaikanlagen. Sie stieg gemäss dem Bundesamt für Energie gegenüber dem Vorjahr um 43%. Der Anteil des Solarstroms am Stromverbrauch der Schweiz liegt aber immer noch nur bei rund 5%. Um die Klimaziele zu erreichen, sind noch enorme Anstrengungen nötig: Die Schweiz benötigt rund 13 Mal mehr Solarleistung als heute, um den Ausstieg aus fossilen Energien und Atomkraft zu schaffen. Mehr dazu bei Swissolar.

Auch der deutliche Anstieg bei Solaranlagen ändert nichts daran, dass die Schweiz bei neuen erneuerbaren Energien im internationalen Vergleich noch immer weit zurückliegt. Gemäss einer Kurzstudie der Schweizerischen Energiestiftung belegt die Schweiz bei der Pro-Kopf-Produktion von Sonnen- und Windenergie von 28 untersuchten europäischen Staaten nur Rang 23, gegenüber dem Vorjahr fast unverändert. Zum Vergleich: Dänemark und Schweden produzieren pro Kopf rund achtmal mehr Strom aus Solar- und Windenergie als die Schweiz.

Neue Ideen und Projekte für erneuerbare Energien

Die Umweltallianz hat einen ausführlichen Plan vorgestellt, wie die Schweizer Energieversorgung gesichert und so umgebaut werden kann, damit ab 2035 keine CO2-Emissionen mehr ausgestossen werden. Gleichzeitig zeigt der Plan auf, wie sich die Biodiversität in der Schweiz sichern lässt. Die Allianz warnt davor, intakte Naturräume für den Zubau der Stromproduktion zu nutzen. Die Klimaziele sollen erreicht werden mit einem beschleunigten Ausbau der Photovoltaik auf bestehenden Infrastrukturen, der Reduktion des Energieverbrauchs, mit Speicherwasserkraft sowie einer Standort- und Projektplanung für Energieproduktionsanlagen, die Klima-, Biotop- und Artenschutz gleichzeitig berücksichtigt. Allein mit Gebäudesanierungen und weiterer Effizienzsteigerung sei es möglich, den Gesamtenergieverbrauch der Schweiz bis 2035 um 41% zu reduzieren. Für die Massnahmen rechnet die Umweltallianz bis 2050 mit Gesamtkosten von CHF 55 Milliarden. Die Klima- und Gesundheitskosten, die sich dank einer raschen Energiewende vermeiden lassen, betragen fast dreimal mehr. Weitere Infos beim SRF.

Solarenergie: Pläne für Solaranlagen in den Alpen sorgen weiterhin für Diskussionen. Bei Umweltverbänden sorgen vor allem jene Anlagen für Kritik, die keine bestehenden Infrastrukturen nutzen, sondern auf freien Flächen installiert werden. Für die Grüne Partei sind diese sogenannten Freiflächen-Solaranlagen nun aber eine Option, um die Energieziele zu erreichen. In einem Positionspapier werden grosse Solaranlagen ausserhalb der Bauzonen befürwortet; der Alpenraum und auch Landwirtschaftsland könnten genutzt werden, um solche Solaranlagen zu realisieren. Mehr dazu in der NZZ am Sonntag (Paywall).

«Energie Zukunft Schweiz» will die Schweiz mithilfe von Solarkraftwerken auf grossen Seen unabhängiger von Importen machen. Gemäss dem Energieberatungsunternehmen würden 5% Prozent der Oberfläche der zehn grössten Schweizer Seen genügen, um einen Viertel des gesamten Schweizer Stromverbrauchs zu decken. Umweltverbände wie Aqua Viva beurteilen die Pläne kritisch. Mehr dazu beim SRF.

Der Nationalrat will, dass die SBB und das Bundesamt für Strassen ihr Potenzial für Photovoltaik-Anlagen nutzen: Lärmschutzwände, Fassaden und Dächer in ihrem Besitz sollen für die Produktion von Strom genutzt werden. Zwei entsprechende zwei Motionen wurden angenommen. Mehr dazu im Blick. Der Schweizer Heimatschutz fordert eine neue Solarkultur und zeigt einem Dossier mit zahlreichen Beispielen, wie sich Klimaschutz, Baukultur und Biodiversität bei der Nutzung der Sonnenenergie verbinden lassen.

Geothermie: Politiker:innen aller Parteien fordern, dass der Bundesrat einen Plan erarbeitet, wie die Geothermie besser erschlossen werden kann. Dabei stehen nicht Anlagen im Fokus, welche die Wärme in 4 Kilometer Tiefe und mehr nutzen, sondern in Tiefen von 500 Metern bis 3 Kilometern. Mehr dazu im Tages-Anzeiger.

Wasserkraft: Das Bündner Stromunternehmen Repower will das grosse Kraftwerksprojekt Chlus realisieren. Die Pläne, das Gefälle zwischen Küblis und dem Rhein zur Stromproduktion zu nutzen, liegen seit Jahrzehnten vor. Nun beurteilt Repower die Rahmenbedingungen als günstig und hofft, dass der Bund die Hälfte der CHF 400 Millionen teuren Investitionen übernimmt. Mehr dazu in der NZZ am Sonntag.

Mehr Verkehr, mehr Emissionen und neuer Anlauf für teurere Flugtickets

Der Strassenverkehr hat 2021 1,5% mehr CO2 ausgestossen als im Vorjahr. Allerdings liegen die Emissionen aus Benzin und Diesel gemäss der CO2-Statistik 2021 noch unter den Werten von 2019, vor der Corona-Pandemie. Dass die Emissionen im letzten Jahr nicht stärker gestiegen sind, liegt neben der Pandemie auch am wachsenden Anteil von Elektrofahrzeugen. 2021 betrug der Anteil sogenannter Steckerfahrzeuge (elektrische Fahrzeuge und Plug-in-Hybride) an den neu in Verkehr gesetzten Personenwagen 22,5%, im Vorjahr waren es 14,4%. Dennoch stiegen laut dem Bundesamt für Energie die durchschnittlichen CO2-Emissionen der neuen PWs auf 129,8 g CO2 pro Kilometer, gegenüber 123,6 g im Vorjahr.

Der wachsende Anteil von Elektrofahrzeugen hat auch Auswirkungen auf die Strassenfinanzierung. Diese Infrastruktur wird heute über Abgaben auf Benzin und Diesel finanziert, Elektroautos bezahlen dafür nichts. Um die Finanzierung zu sichern, will der Bundesrat deshalb ab 2030 eine Ersatzabgabe für Elektrofahrzeuge einführen. Mehr dazu im Tages-Anzeiger.

Dass der Verkehr zu erheblichen Klima- und Umweltschäden führt, zeigen die neusten Berechnungen des Bundesamtes für Raumentwicklung. So belaufen sich die externen Kosten aller Verkehrsträger für 2019 auf CHF 14 Milliarden, das sind 1,4% mehr als 2018 und entspricht CHF 1’600 pro Person. 70% werden vom motorisierten Strassenverkehr verursacht, 11% vom Luftverkehr und 8% vom Schienenverkehr. Die grössten Schäden fallen beim Beitrag an den Klimawandel und dem Verlust von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen durch Strassen, Schienen und Flughäfen an. Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, die durch Verkehrslärm oder Luftverschmutzung verursacht werden, führen zum vorzeitigen Tod von Menschen, wodurch jährlich 17’500 Lebensjahre verloren gehen. Zudem werden durch den Verkehr Ernteausfälle von 233‘000 Tonnen Lebensmittel verursacht.

Dessen ungeachtet plant der Bund im Rahmen der Gesamtverkehrsstrategie bis 2040 umfangreiche Erweiterungen des Autobahnnetzes. Die Kosten dafür werden auf CHF 34 Milliarden veranschlagt. Diese Pläne will der Verkehrsclub der Schweiz (VCS) mit einer Volksinitiative verhindern. Einen entsprechenden Vorschlag, ein Moratorium für den Kapazitätsabbau von Nationalstrassen in der Verfassung zu verankern, wird erarbeitet. Mehr dazu im Tages-Anzeiger.

Der VCS beschäftigt sich noch mit einer zweiten Volksinitiative: Zusammen mit der Organisation umverkehR will der Verband die Einführung einer Flugticketabgabe mit einer Verfassungsänderung erreichen. Mit dem Nein zum CO2-Gesetz im Juni 2021 hatte das Volk dieses Klimaschutzinstrument verworfen. Die Ticketabgabe stösst nach wie vor auf Zustimmung: Gemäss einer Umfrage des Marktforschungsinstituts GfS Zürich würden drei Viertel der Befragten eine solche Abgabe unterstützen. Mehr dazu in der NZZ am Sonntag (Paywall).

Klimarelevante Entscheide von Bund und Kantonen

Der Ständerat will den Weg nicht frei machen, damit in der Schweiz neue Kernkraftwerke gebaut werden können. Er hat eine entsprechende Motion von SVP-Ständerat Hansjörg Knecht klar abgelehnt.

Der Bundesrat hat ein weiteres Abkommen genehmigt, mit dem Klimaschutzprojekte im Ausland angerechnet werden können. Und zwar mit der Ukraine. Der Bundesrat glaubt, dass das Abkommen einen Beitrag zum klimafreundlichen Wiederaufbau des vom Krieg betroffenen Landes leisten kann. Ein Ziel sei es, eine fossilfreie Energieinfrastruktur aufzubauen.

Europäische Klimapolitik

Europäische Klimapolitik und Energiepolitik im Widerspruch

Es ist schwierig, den Europäischen Dschungel der zurzeit in Verhandlung stehenden Energie- und Klimagesetzte zu verstehen. Hier der Versuch einer Übersicht.

Klimapolitik: Der «europäische Grüne Deal» wurde Ende 2019 vorgestellt und soll der EU den Übergang zu einer nachhaltigen, ressourceneffizienten und klimafreundlichen Wirtschaft ermöglichen. Dazu will die EU unter anderem bis 2050 klimaneutral werden, die Kreislaufwirtschaft voranbringen und ärmere Menschen und Regionen in diesem Übergang Transition unterstützen. Das Europäische Klimagesetz verankert sowohl dieses 2050-Ziel wie auch das Ziel, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um mindestens 55 % (im Vergleich zu 1990) zu senken. Um das 2030-Ziel zu erreichen, legte die EU-Kommission im Juli 2021 ihr umfassendes Legislativpaket «Fit für 55» vor. Die Details dieses sehr grossen Gesetzespaketes werden seither vom Europäischen Rat und vom Europäischen Parlament verhandelt.

Energiepolitik: Im Februar 2022 ist Russland in die Ukraine einmarschiert. Der andauernde Krieg bringt nicht nur grosses Leid, sondern stellt Europa auch energiepolitisch vor grosse Herausforderungen. Europa importiert 90% des Erdgasbedarfs, 97% des Erdöls und 70% der Kohle. Russland ist der grösste Energielieferant Europas. Genau das soll sich nun ändern. Im März 2022 vereinbarten die Staats- und Regierungschefs der EU, die Abhängigkeit Europas von russischen Energieeinfuhren so bald wie möglich zu beenden. Im Mai 2022 publizierte die EU-Kommission dazu den «REPowerEU»-Plan. Es gibt durchaus Synergien zu den Klimazielen, wie zum Beispiel der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien, aber eben nicht nur.

Der «REPowerEU»-Plan sieht auch vor, dass EUR 10 Milliarden in neue Erdgasinfra-strukturen investiert werden, um die Abhängigkeit der EU von russischem Gas zu verringern. Weitere 2 Milliarden sollen für die Umstellung fossiler Gaskraftwerke auf Kohle ausgegeben werden. Ein Teil dieser Investitionen soll aus dem Verkauf zusätzlicher Emissionszertifikate des EU-Emissionshandelssystems finanziert werden. Das wiederum würde den Emissionshandel untergraben. Nicht nur NGOs kritisieren diese Schwachstellen im REPowerEU-Vorschlag. Auch der Europäische Rechnungshof hat in einem kürzlichen Bericht vor »erheblichen» Problemen und praktischen Herausforderungen gewarnt; der Plan verstosse gegen EU-Umweltprinzipien und es bestehe die Gefahr, dass er seine Finanzierungsziele verfehlt. Mehr bei Carbon Pulse (Paywall).

Neue Erdgasinfrastruktur als Reaktion auf den Ukrainekrieg

Viele Europäische Länder wollen ihre Erdgas-Infrastruktur rasch ausbauen und neue Importeure von fossilen Brennstoffen finden. Deutschland, Italien, Griechenland und die Niederlande planen neue Terminals für den Import von Flüssiggas. Deutschland will kurzfristig vier schwimmende und bis 2027 zwei stationäre Importterminals bauen. Die USA haben einen Vertrag für den Export von zusätzlichem Flüssiggas in die EU unterzeichnet. Einen ähnlichen Vertrag haben Katar und Ägypten mit Deutschland vereinbart. Katar hat angekündigt, den LNG-Export zu verdoppeln. Nigeria, Niger und Algerien wollen die alte Trans-Sahara-Pipeline für den Gastransport reaktivieren, und Senegal, das bisher noch nie Gas exportiert hat, will nun Europa welches anbieten. Eine Analyse von Climate Action Tracker zeigt, wie gefährlich dieser Ausbau für die Klimaschutzziele sind. Mehr dazu im Guardian.

Über den Winter wollen EU-Staaten 15% weniger Gas verbrauchen

Im Juli einigten sich die EU-Mitgliedstaaten, ihren Gasverbrauch von August 2022 bis Ende März 2023 freiwillig um 15% gegenüber ihrem Durchschnittsverbrauch der letzten fünf Jahre zu senken. Damit will sich die EU auf mögliche Unterbrechungen der Gaslieferungen aus Russland vorbereiten. Die Einigung war jedoch nur möglich, nachdem zahlreiche Mitgliedsstaaten eine Ausnahme erhielten. Unter anderen müssen Spanien, Portugal und Italien ihren Konsum nur um 7% drosseln. Die Verordnung sieht jedoch auch die Möglichkeit vor, bei einer schwerwiegenden Gasknappheit einen «Unionsalarm» auszulösen; in diesem Fall würden die Einsparungen verpflichtend. Mehr dazu in der NZZ (Paywall) und bei der EU-Kommission.

Gas und Kernkraft sind das neue Grün

Die EU-Kommission forderte im Rahmen einer neuen Taxonomie, die mehr Transparenz und Klarheit in nachhaltigen Finanzprodukten schaffen soll, dass Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich eingestuft werden sollten. Dieser Vorschlag erntete heftige Kritik von NGOs und einigen EU-Staaten. Trotzdem hat das Europäische Parlament nun den Vorschlag der Kommission gutgeheissen. Mehr dazu bei der SES und in der NZZ (paywall).

Neuwagen ab 2035 emissionsfrei

Die EU-Umweltminister haben sich darauf geeinigt, dass in der EU verkaufte Neuwagen ab 2035 kein CO2 mehr ausstossen dürfen. Defacto können ab dann keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr verkauft werden. Italien, die Slowakei und andere Staaten wollten den Ausstieg auf 2040 verschieben, unterstützten dann aber einen von Deutschland vorgeschlagenen Kompromiss, der 2035 als Ziel beibehält, aber vorsieht, dass noch geprüft wird, ob Hybridfahrzeuge oder CO2-neutrale Kraftstoffe auch als klimaneutral gelten könnten. Mehr im Guardian und im Tages-Anzeiger (Paywall).

Mehr Windenergie für Deutschland

Die deutsche Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 den Strom aus erneuerbaren Energien zu verdoppeln. Das «Wind-an-Land-Gesetz» soll den Ausbau der Windenergie in Deutschland deutlich schneller voranbringen. Neu sollen 2% der Landesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen werden. Derzeit sind es 0,8% – allerdings sind nur 0,5% tatsächlich verfügbar. Die Bundesregierung will neu gesetzlich verpflichtende Flächenziele für die Bundesländer vorgeben. Es bleibt Sache der Länder zu entscheiden, wie sie ihre Flächenziele erfüllen. Diese sollen bis Ende 2032 umgesetzt werden. Ausserdem sollen die Planungs- und Genehmigungsverfahren erheblich beschleunigt werden. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz werden auch die Ausbauziele für erneuerbare Energien deutlich angehoben. Im Jahr 2030 sollen demnach 80% des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Mehr dazu beim deutschen Informationsamt.

Frankreich bereitet Neustart von Kohlekraftwerk vor

Frankreich plant angesichts der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Energiekrise den Neustart des Kohlekraftwerks in Saint-Avold im Nordwesten des Landes, nahe der deutschen Grenze. Das erst Ende März vom Netz gegangene Kraftwerk soll im nächsten Winter vorsorglich wieder in Betrieb genommen werden. Die Regierung unterstreicht, an der grundsätzlichen Entscheidung zum Kohleausstieg ändere das nichts. Bis auf ein Reservekraftwerk ist es das letzte Kohlekraftwerk in Frankreich. Für Frankreich spielt russisches Erdgas zwar keine grosse Rolle. Rund die Hälfte der Kernkraftwerke sind im Moment jedoch aufgrund von Defekten oder Wartungen nicht in Betrieb, so dass die Meiler weniger Strom als üblich liefern mehr bei SR.de.

Grossbritannien muss seinen Netto-Null-Plan konkretisieren

Ein britisches Gericht erklärte den Netto-Null-Plan der Regierung für rechtswidrig, weil er zu wenig konkrete Massnahmen enthält und nicht genügend aufzeigt, wie das Ziel erreicht werden soll. Der Richter wies den Gesetzgeber an, bis Ende März 2023 eine aktualisierte und konkretere Strategie zu veröffentlichen. Die Klage war von Friends of the Earth, ClientEarth und dem Good Law Project eingereicht worden. Mehr dazu bei Sky News und BBC News.

Finnland setzt sich das weltweit ehrgeizigste Klimaziel

Finnland will als erstes Industrieland im Jahr 2035 ein Netto-Null-Ziel und im Jahr 2040 ein Netto-Negativ-Ziel erreichen, das heisst mehr CO2 absorbieren als emittieren. Die Ziele sollen ohne den Gebrauch von internationalen Zertifikaten erreicht werden und wurden auf der Grundlage einer Analyse einer Gruppe unabhängiger Wirtschaftswissenschaftler festgelegt. Sie berechneten den fairen Anteil Finnlands des verbleibenden CO2 Budgets, basierend am Anteil der Weltbevölkerung, der Wirtschaftskraft und der historischen Verantwortung für den Klimawandel. Es ist das erste Mal, dass sich ein Land auf dieser Basis Ziele gesetzt hat. Ob Finnland seine Klimaziele erreichen wird, hängt weitgehend von seinen Wäldern ab, die drei Viertel der Landesfläche bedecken. Kürzlich veröffentlichte Finnland Zahlen, wonach diese Wälder zum ersten Mal mehr CO2 freisetzten als sie absorbierten. Die Emissionen aus der Entwaldung sind in den letzten zehn Jahren gestiegen, da Bäume für die Papierindustrie und zur Energiegewinnung schneller abgeholzt als gepflanzt werden. Mehr bei Climate Change News.

US-Klimapolitik

Oberstes US-Gericht schränkt Handlungsspielraum der Umweltbehörde ein

Der mehrheitlich konservative US Supreme Court schränkte in einem kürzlich gefällten Urteil die klimapolitischen Kompetenzen der Umweltschutzbehörde EPA deutlich ein. Vor dem Gericht ging es um die Frage, wie die EPA Kohlekraftwerke regulieren kann. Der Stromsektor ist mit einem Viertel der Emissionen nach dem Verkehr der zweitgrösste Emittent der USA.

Mit 6 zu 3 Stimmen entschied das Gericht, dass die EPA zwar die Emissionen einzelner Kraftwerke regulieren kann, aber keine Standards für die Umstellung der Energieversorgung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Quellen festlegen darf. Das jüngste Urteil des Obersten Gerichtshofs legt fest, dass weder die EPA noch eine andere US-Behörde weitreichende Regeln erlassen dürfen, es sei denn, der Kongress hat solche Regeln ausdrücklich autorisiert. Das könnte auch weiterreichende Konsequenzen für Vorschriften anderer Behörden haben, zum Beispiel eine vorgeschlagene Vorschrift der Börsenaufsichtsbehörde, welche Finanzunternehmen, die Wertpapiere anbieten, dazu verpflichten würde, klimabezogene Risiken auszuweisen. Lobbyorganisationen der fossilen Industrie hatten sich im Vorfeld für die Entscheidung stark gemacht.

Mit dem Urteil entfällt eines der wirksamsten Regulierungsinstrumente zur Reduktion von CO2-Emissionen. Damit sind den Bemühungen von Präsident Joe Biden, die Glaubwürdigkeit der USA in Sachen Klimaschutz wiederherzustellen, einen weiteren Schlag versetzt worden. Biden will, dass die USA bis 2035 100% CO2-freien Strom erzeugt. New York Times (Paywall), The New Yorker (Paywall), Inside Climate News und NPR.

Verabschieden die USA doch noch ein ambitioniertes Klimagesetz?

US-Präsident Biden und die demokratische Partei versuchen seit Monaten, ein grosses Klimapaket zu verabschieden. Doch noch Mitte Juli schien das unmöglich zu sein, da einer der demokratischen Senatoren, Joe Manchin aus dem Kohle-Staat Virginia, sich geweigert hatte, einem solchen Gesetzespaket zuzustimmen. Da der Senat mit 50 zu 50 Stimmen gespalten ist und die Republikaner einheitlich gegen ein solches Gesetzespaket sind, benötigen die Demokraten die einstimmige Unterstützung ihrer Partei und die entscheidende Stimme von Vizepräsidentin Harris. Manchins Widerstand war daher von Anfang an das Haupthindernis für die Verabschiedung des Plans, der ihm ein faktisches Vetorecht über den Inhalt des Plans einräumt.

Nun hat Joe Manchin seine Meinung geändert und befürwortet den Inflation Reduction Act. Es ist nicht klar, was Joe Manchin umgestimmt hat. Möglicherweise ist es eine Zusage von Präsident Biden, dass der Kongress im Herbst ein zusätzliches Gesetz zur Genehmigung von Energieinfrastrukturprojekten, einschliesslich Erdgaspipelines, verabschieden wird. Das würde den Weg ebnen für die Mountain Valley Pipeline, die Schiefergas aus den Appalachen von West Virginia transportieren würde – ein Projekt, für das sich Manchin schon lange einsetzt. Joe Manchin nahm alleine letztes Jahr über USD 730‘000 durch Spenden von Öl- und Gasfirmen ein.

Wird der Inflation Reduction Act angenommen, mit dem die Auswirkungen der Inflation abgefedert werden sollen, würden unter anderem USD 369 Milliarden für Klima- und Energieprojekte bereitgestellt werden. Obwohl umfangreich, ist der Plan doch deutlich weniger weitreichend als das ursprünglich von den Demokraten vorgeschlagene Gesetzespaket.

Im Senat wurde er bereits angenommen jetzt muss noch das Repräsentantenhaus zustimmen. Auch wenn er verwässert wurde, ist es ein deutlicher Fortschritt in der US-Klimapolitik. Mehr dazu in der New York Times, im New Yorker und auf Twitter.

Neues zum Klimawandel

Die Hitzewelle hält weite Teile der Welt in Griff

In mehreren Regionen der Erde sind im Juni und Juli die Temperaturen auf rekordhohe Werte gestiegen. Im Juni 2022 wurden die wärmsten Temperaturen seit Beginn der Aufzeichnungen über den Landgebieten der Welt gemessen (Carbon Brief). In Europa, den USA und in China warnten Behörden vor der gefährlichen Hitze; mehr als 900 Millionen Chinesen waren Ende Juli von einer Hitzewarnung betroffen (NY Times). In Indien, Pakistan und anderen Teilen Asiens herrschen bereits seit März überdurchschnittlich hohe Temperaturen. Und eine neue Studie zeigt, dass sich die Arktis bis zu siebenmal schneller erwärmt als der globale Durchschnitt. Übersichtsartikel im Tages-Anzeiger, im Guardian und in der NY Times.

In Europa kletterten die Temperaturen in Spanien, Frankreich und Grossbritannien auf über 40°C ; die Hitzewelle in Grossbritannien ist laut einer Attributions-Studie durch den Klimawandel mindestens zehnmal wahrscheinlicher geworden (Carbon Brief). Aufgrund der Hitze kam es zu teilweise verheerenden Waldbränden. Besonders stark betroffen war die Gironde in Frankreich, wo Tausende von Personen evakuiert werden mussten (Guardian). Laut dem Economist wurden in der EU bis Mitte Juli total 1’756 Waldbrände registriert, welche dreimal so viel Fläche wie im Durschnitt der Jahre 2006 bis 2021 zerstörten; anschauliche Grafiken dazu im Guardian. Neben der Hitze begünstigt die grosse Trockenheit die Entstehung und Ausbreitung der Brände. So herrschen in Spanien und Portugal die trockensten Bedingungen seit 1’200 Jahren (Guardian). In Italien hat die Regierung wegen der gravierenden Trockenheit in zahlreichen Regionen des Landes den Notstand beschlossen (Die ZEIT).

Die Hitze stellt eine erhebliche Gesundheitsbelastung dar und führt zum vorzeitigen Tod von Tausenden von Menschen (SpiegelNY Times). Aufgrund der Hitze und anderer extremer Wetterereignisse kommt es auch häufiger zu Gewalt gegen Frauen und Angehörige geschlechtsspezifischer Minderheiten. Dies zeigt eine in Nature publizierte Metastudie, für die Untersuchungen über Gewalttaten nach Hitzewellen, Überschwemmungen, Dürren und Wirbelstürmen der letzten zwei Jahrzehnten analysiert wurden.

Aufgrund der Hitze steigt der Einsatz ineffizienter Klimaanlagen. Ansätze, um intelligenter und stromsparender zu kühlen, zeigen die NY Times und die NZZ (Paywall) auf.

Hitzewellen sind durch den menschengemachten Klimawandel häufiger und intensiver geworden, das zeigen diverse Studien. Die Hitzewelle in Südasien vom Mai ist 30 Mal wahrscheinlicher geworden, wie eine Studie zeigt. Gemäss der Klimawissenschaftlerin Friederike Otto vom Imperial College London hat die Häufigkeit von Hitzewellen allein in Europa um den Faktor 100 oder mehr zugenommen (Guardian). In Europa nehmen Hitzewellen an Häufigkeit und Intensität schneller zu als in fast allen anderen Teilen der Welt (NY Times). Eine kürzlich in Nature Communications erschienene Studie führt dies unter anderem auf Veränderungen des Jetstreams zurück.

Methan heizt das Klima stärker auf, als bisher vermutet

Methan gilt als besonders klimaschädliches Treibhausgas – über einen Zeitraum von 20 Jahren trägt Methan mehr als 80 Mal stärker zur Erderwärmung bei als die gleiche Menge CO2. Über die letzten Jahre ist die Methan-Konzentration der Atmosphäre deutlich gestiegen; selbst während der Coronapandemie in den Jahren 2020 und 2021 nahm sie weiter zu. Eine Studie in Nature Communications liefert dafür eine Erklärung: Die Atmosphäre verliert ihre Fähigkeit, das vorhandene Methan wieder abzubauen. Grund dafür ist unter anderem, dass durch Waldbrände mehr Kohlenmonoxid freigesetzt wird und es dadurch weniger freie Radikale, die Methan abbauen können, gibt. Dadurch bleibt Methan länger in der Atmosphäre als früher und heizt das Klima weiter auf. Mehr dazu im Guardian und im Spiegel.

Rohstoffgewinnung führt zu hohen Kosten

Der Abbau fossiler Energien, Metallerze und weiterer Bodenschätze versursacht weltweit jedes Jahr Schäden von USD 3 Billionen. Für die im Journal for Cleaner Production veröffentlichte Studie wurden sämtliche Umweltauswirkungen wie Treibhaus- und Feinstaubemissionen, Versauerung und Verlust an Artenvielfalt berücksichtigt, die beim Abbau von Rohstoffen entstehen. Die zusätzlichen Schäden, die beim Verbrennen der Energieträger und der Nutzung der Rohstoffe entstehen, wurden dabei nicht eingerechnet. Die Analyse zeigt, dass für einige Länder wie Gabun, Madagaskar und Afghanistan die Umweltkosten die wirtschaftlichen Gewinne übersteigen können, die durch den Verkauf der Rohstoffe erwirtschaftet werden. Mehr dazu bei Carbon Brief.

Fliegen schadet dem Klima noch mehr

Nicht die CO2-Emissionen von Flugzeugen belasten den Klima am stärksten, sondern Kondensstreifen und andere Klimagase. Eine in Nature Climate Change veröffentlichte Studie zeigt, dass Kondensstreifen und Klimagase wie Stickoxide, Wasserdampf und Aerosole allein das Klima bis 2100 zwischen 0,1-0,4 °C erwärmen könnten. Das heisst, dass im ungünstigsten Szenario fast ein Drittel der auf 1,5 °C zu begrenzenden Erderwärmung von der Fliegerei verursacht würde. Die Studie macht auch deutlich, dass es nicht ausreicht, den Luftverkehr CO2-neutral zu machen. Auch wenn künftig synthetische Treibstoffen eingesetzt werden, tragen Flugreisen weiterhin stark zur Erderwärmung bei. Mehr im Tages-Anzeiger (Paywall).

Lebensmitteltransport sorgt für mehr CO2

Der globale Transport von Lebensmitteln macht fast einen Fünftel aller Treibhausgas-Emissionen im Lebensmittelsystem aus. Das ist 3-7,5 Mal mehr als bisher angenommen. Für die in Nature Food veröffentlichte Studie wurde die gesamte Lebensmittelversorgungskette berücksichtigt, also auch die Emissionen aus dem Transport von Düngemitteln, Maschinen und Futtermitteln sowie aus dem Transport der Lebensmittel selbst. Die meisten früheren Studien haben nur die Emissionen erfasst, die beim Transport einzelner Lebensmittel bis zum Verkaufsort entstehen. Es sind vor allem Konsument:innen in den wohlhabenden Ländern, die für die Emissionen verantwortlich sind. Laut den Studienautor:innen verursachen 12,5% der Weltbevölkerung rund 46% der Emissionen, die beim Transport von Lebensmitteln entstehen. Eingeflogene Nahrungs- und Genussmittel haben einen besonders grossen Fussabdruck. Der weitaus grösste Anteil der Emissionen wird jedoch nicht durch den Transport, sondern durch die Produktion der Lebensmittel selbst verursacht. Mehr dazu bei Carbon Brief.

Weniger tropische Wirbelstürme, doch die stärksten Stürme werden intensiver

Die Häufigkeit tropischer Wirbelstürme hat abgenommen: In vorindustrieller Zeit traten pro Jahr über 100 solcher Ereignisse auf, im Jahr 2012 waren es noch 80. Die in Nature Climate Change veröffentlichte Studie führt die Abnahme auf die Erderwärmung zurück. Anhand von Simulationen mit Klimamodellen zeigen die Forscher:innen, dass der menschengemachte Klimawandel die meteorologischen Bedingungen verändert hat, so dass sich seltener tropische Wirbelstürmen bilden. Die Autor:innen erklären dies damit, dass zwei wichtige Zirkulationssysteme der Erdatmosphäre (die Hadley- und die Walker-Zirkulation) abgeschwächt und sich dadurch die tropische Schauer- und Gewittertätigkeit verringert hätten. Die Erkenntnisse ändern jedoch nichts daran, dass die stärksten Wirbelstürme intensiver werden und dadurch mehr Schaden anrichten können. Mehr dazu bei Carbon Brief und in der NZZ (Paywall).

Der Klimawandel führt zu weiterer Ungerechtigkeit

Die USA und China, die beiden grössten CO2-Emittenten, verursachten von 1990 bis 2014 globale Einkommensverluste von kumuliert über USD 1,8 Billionen. Zusammen mit Russland, Indien und Brasilien waren diese fünf Staaten im untersuchten Zeitraum für weltweite Verluste von insgesamt USD 6 Billionen verantwortlich, was etwa 11% des globalen Bruttoinlandprodukts eines Jahres entspricht. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Dartmouth College in den USA. Die Arbeit liefert laut den Studienautor:innen eine wissenschaftliche Grundlage, um die Schäden aufzuschlüsseln, die ein einzelner Emittent für die Wirtschaft eines anderen Landes verursacht hat. Länder des globalen Südens sind am stärksten betroffen, unter anderem durch geringere landwirtschaftliche Erträge und eine reduzierte Arbeitsproduktivität durch Hitzestress. Die neuen Daten könnten in Zukunft bei Klimaklagen eine wesentliche Rolle spielen. Mehr dazu im Guardian und bei Reuters.

Erwärmt sich das Klima und nehmen Extremereignisse zu, könnten Betroffene beschliessen, auszuwandern. Eine in Nature Climate Change veröffentlichte Studie kommt allerdings zum Schluss, dass aufgrund des Klimawandels dem ärmsten Teil der Bevölkerung die Mittel fehlen, um zu migrieren. In einem mittleren Emissionsszenario kommt es bei den einkommensschwächsten Bevölkerungsschichten zu einem Rückgang der Migration um über 10%. Ohne Klimaschutzmassnahmen können bis zu 35% nicht mehr auswandern. Es sind vor allem die Ärmsten in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara und in Nordafrika, welche die Folgen des Klimawandels und die zunehmende Armut am stärksten treffen. Mehr dazu bei Carbon Brief.

Was ist guter Klimajournalismus?

Trotz der Gefahren durch Hitzewellen illustrieren viele Medien die Berichte darüber mit Menschen, die sich im Wasser vergnügen oder Eis essen. Carbon Brief erläutert, mit welchen Bildern sich die Klimarisiken adäquat darstellen lassen.

Nachrichtenmedien fällt es noch immer schwer, der Klimakrise journalistisch gerecht zu werden. Um das zu ändern, hat Wolfgang Blau das Oxford Climate Journalism Network mitgegründet. Blau fordert, dass die Klimaberichterstattung in alle Ressorts eines Mediums integriert wird und die Kompetenz in Klimafragen nicht auf einzelne Fachleute in der Wissenschaftsredaktion beschränkt bleibt. Klimathemen sind auch in Berichten über Sport, Gesundheit, Immobilien und Reisen von Bedeutung. Gemäss Blau braucht es auch andere Kriterien, nach denen News ausgewählt werden. Statt den Fokus auf Neuigkeit, geografische Nähe, Personalisierung und Exklusivität zu legen, sei Relevanz und öffentliches Interesse stärker zu gewichten. Mehr dazu in einem Vortrag von Blau und beim Center for Journalism Ethics.