Klima-Zeitung

April 2022

Alle zwei Monate ordnen wir alles Wichtige zu Politik und Wissenschaft ein. Für Menschen, die in der Diskussion um die Klimakrise auf dem Laufenden bleiben möchten.

Der Ukraine-Krieg und Russlands fossile Energieexporte

Die russischen Exporte fossiler Brennstoffe machten 2021 rund 250 Mrd. USD oder 17% des russischen Bruttoinlandprodukts aus – durch die hohen Gaspreise deutlich mehr als in den Vorjahren. Pro Tag sind das im Schnitt fast 700 Millionen USD. Die Energieexporte machen mehr als zwei Fünftel Russlands Staatseinnahmen aus; die meisten der grossen Öl- und Gasproduzenten wie Gazprom und Rosneft befinden sich faktisch in Staatsbesitz.Mit der Invasion Russlands in die Ukraine sind Russlands Energieexporte und die dadurch generierten Einnahmen in den Fokus gerückt. Die Energiestatistiken machen deutlich, dass Russland den Krieg grösstenteils durch Energieexporte finanziert.

Russland ist einer der grössten weltweiten Exporteure von Öl (13%), Kohle (17%) und fossilem Gas (26%). Russische Ölexporte gehen hauptsächlich nach Europa (48%), vor allem nach Deutschland und in die Niederlande (jeweils etwa 11%) und Polen (7%) sowie nach China (31%). Die Gasausfuhren gehen ebenfalls hauptsächlich nach Europa (72%), vor allem nach Deutschland, Italien, Frankreich und in die Türkei (16%, 12%, 8% und 6%). China, Südkorea und Japan sind die grössten Importeure russischer Kohle (17%, 12% und 10%). 31% aller russischen Kohleexporte entfallen auf europäische Staaten der OECD.

Es gibt zwei Möglichkeiten, um die Abhängigkeit von Russlands fossiler Energie zu reduzieren: Entweder wird der Ausbau von Erdgas und Öl weltweit vorangetrieben oder der Ausbau von erneuerbaren Energien wird gefördert. Wenig überraschend hat die Erdölindustrie sofort nach Beginn des Krieges den Ausbau der fossilen Infrastruktur gefordert. So hat zum Beispiel  das American Petroleum Institute ihre Forderungen bereits vier Tage nach der Invasion an die Regierung Biden geschickt. Aber der Ausbau der Infrastruktur für den Export fossiler Brennstoffe ist keine kurzfristige Lösung, vielmehr dauert der Bau eines Gasexportterminals Jahre, schreibt Klima-Strategieberaterin Mary Anne Hytt (auf Twitter verweist sie auf lesenswerte Artikel zu den Folgen des Kriegs auf die Klimakrise).

Russland versucht derweil in China neue Exportmärkte zu finden. Anfang Februar – drei Wochen vor dem Einmarsch in der Ukraine – schlossen die beiden Länder neue Öl- und Gasverträge ab, darunter einen 30-jährigen Gasvertrag, der die russischen Gaslieferungen an China um ein Viertel erhöhen soll. Russland und China verhandeln derzeit auch über vier neue Gaspipeline-Projekte (Carbon Brief).

IEA Zehn-Punkte-Plan gegen Abhängigkeit von Moskau

Die Internationale Energieagentur (IEA) zeigt in einem Zehn-Punkte-Plan auf, wie die Gasimporte aus Russland innerhalb eines Jahres um ein Drittel reduziert werden könnten. Wichtig ist laut IEA eine verstärkte internationale Zusammenarbeit mit anderen Erdgas exportierenden Ländern und Gasverbrauchern. Wind- und Solarprojekte sollten zudem schneller ausgebaut werden. Dafür ruft die IEA die Politik zu einem kurzfristigen Zuschussprogramm auf, das 20% der Installationskosten von Solaranlagen auf Häuserdächern abdecken soll. Um den Bedarf von Gas weiter zu reduzieren, sollten Gasheizungen rasch durch Wärmepumpen ausgetauscht werden. Die derzeitigen Installationsraten von Wärmepumpen in der EU sollten dazu verdoppelt werden (Stern.de). Der Bericht zeigt zudem auf, wie der Ölbedarf durch sofortige Verhaltensänderungen um knapp 10% gesenkt werden könnte.

Ausserdem fordert die IEA, dass Bioenergie und Kernenergie stark ausgebaut werden sollen. Beides wurde von NGOs stark kritisiert. In Europa werden jeden Tag 10’000 Tonnen Weizen - das entspricht 15 Millionen Broten - zu Ethanol für Autos verarbeitet. Würde dieser Weizen nicht mehr zu Biokraftstoff verarbeitet, könnte man mehr als 20% der jetzt fehlenden ukrainischen Weizenlieferungen auf dem Weltmarkt ausgleichen. Doch selbst wenn Europa seine Anbauflächen für Biokraftstoffe verdoppeln würde - was mindestens 10% der Anbauflächen in der EU entspräche - würde dies nur 7% der Ölimporte der EU aus Russland ersetzen (Transport & Environment). Zudem zeigt eine neue Studie des Forschungsinstituts Ifeu, dass wenn man die Äcker, auf denen aktuell Pflanzen für Agrokraftstoffe wachsen, renaturieren und für Solaranlagen nutzen würde, die dreifache Menge an CO2 eingespart werden könnte. In Sachen Kernenergie ist zu beachten, dass viele europäische Atomkraftwerke Uran verwenden, das in Russland angereichert wurde (NZZ, paywall).

EU will deutlich vor 2030 ohne russisches Erdgas auskommen

Die EU importiert 90% ihres Erdgases. Etwa 45% stammen aus Russland, wobei der Anteil je nach Mitgliedstaat variiert. Auf Russland entfallen zudem 25% aller Öl- und 45% aller Kohleimporte. Die EU will nun schneller als geplant von Erdöl, Kohle und Erdgas aus Russland wegkommen (NZZ, paywall). Am 8. März hat die Europäische Kommission deshalb den Entwurf eines „REPowerEU“ Plans vorgestellt, mit dem Europa deutlich vor 2030 von fossilen Brennstoffen aus Russland unabhängig werden soll. Noch vor Ende des Jahres soll die Nachfrage der EU nach russischem Gas um zwei Drittel verringert werden. Geplant ist die Diversifizierung der Gasversorgung durch höhere Einfuhren von Erdgas von nicht-russischen Lieferanten und die Steigerung von Produktion und Einfuhr von Biomethan und Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen. Ausserdem sollen die Umstellung von Öl- und Gasheizungen in Wohn- und Geschäftsgebäuden auf Wärmepumpen beschleunigt und die Energieeffizienz der Industrie gesteigert werden. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Elektrifizierung soll weiter vorangetrieben werden. Wieviel damit erreicht werden kann, zeigen die Niederlande und Spanien. Dort wurde der Erdgasverbrauch in den Stromsektoren zwischen 2019 und 2021 um 22% bzw. 17% durch den Ausbau erneuerbare Energien gesenkt, wie eine Stromanalyse von Dave Jones auf Twitter erklärt, siehe Grafik unten.

Die EU will künftig auch grosse Mengen an Flüssigerdgas (LNG) aus den USA beziehen. Eine Vereinbarung zwischen US-Präsident Joe Biden und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht vor, dass langfristig etwa ein Drittel der derzeitigen Gasimporte aus Russland durch US-Gas ersetzt wird. In diesem Jahr soll es bereits ein Zehntel sein. Doch das Abkommen schafft ein Dilemma, denn es werden neue Infrastrukturen geschaffen, die Europa länger an Erdgas binden könnten und in den USA erneut einen Frackingboom auslösen könnten (Klima-Newsletter der New York Times und  NZZ (paywall).

Deutschland beschliesst Entlastungspaket und will LNG-Terminals bauen

Deutschland importiert ein Drittel seines Öls und 55% des Erdgases aus Russland. Obwohl die seit Jahren umstrittene Pipeline Northstream 2 jetzt definitiv nicht in Betrieb genommen werden soll, bezieht Deutschland weiterhin Erdgas aus Russland, durch die Ostseepipeline Nord Stream 1, über die Jamal-Pipeline sowie die Leitungen durch die Ukraine (Deutschlandfunk).

Ziel der Bundesregierung ist es, die Abhängigkeit von Gas, Öl und Kohle aus Russland zu verringern. Ein Energieembargo lehnt die Bundesregierung jedoch ab. Trotzdem will die Regierung die Importe so schnell wie möglich diversifizieren. Noch Anfang Jahr war unsicher,  ob in Deutschland jemals ein Hafen für Flüssigerdgas gebaut wird. Nun möchte die Bundesregierung das geplante Terminal in Brunsbüttel mitfinanzieren. Auch an weiteren Standorten gibt es entsprechende Pläne (Klimareporter).

Eine neue Studie einer Gruppe deutscher Ökonom*innen schätzt, dass der Wegfall der Gasimporte aus Russland eine Senkung des Gasverbrauchs um etwa 30 Prozent erfordern würde. Die Auswirkungen dürften erheblich, aber überschaubar sein. Kurzfristig würde ein Stopp der russischen Energieimporte das Bruttoinlandprodukt (BIP) um 0,5% bis 3% reduzieren (zum Vergleich: der BIP-Rückgang betrug 2020 während der Pandemie 4,5%).

Scholz und sein Kabinett planen eine neue Gesetzesrevision, um schon bis 2035 fast 100 Prozent des Stromes aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Dadurch könnte das Netto-Null Ziel schon bis 2045 erreicht werden. Die Onshore-Windkapazität soll bis 2030 mehr als verdoppelt werden, Offshore-Windkapazität und Solar-PV-Kapazität sollen sogar vervierfacht werden. Die Bundesregierung will zudem in den nächsten vier Jahren vier Milliarden Euro zusätzlich für Massnahmen zum Schutz natürlicher CO2-Senken wie Wälder, Moore und Feuchtgebiete investieren. Um den Kostendruck der hohen Energiepreise auf Konsument*innen zu mildern, hat die deutsche Regierung mehrere Massnahmen angekündigt, darunter eine Energiepreispauschale von 300 Euro für alle Erwebstätigen, die Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe für drei Monate und vergünstigte Tickets für den öffentlichen Verkehr. Auch ein Tempolimit auf den Autobahnen soll geprüft werden. Dadurch könnten pro Jahr 3,7 Milliarden Liter Benzin eingespart werden. Mehr Infos bei Deutschlandfunk hier und hier.

Die Wärmeversorgung der Gebäude in Deutschland könnte ab 2035 vollständig durch erneuerbare Energien gesichert werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Wuppertal Instituts im Auftrag von Greenpeace. Dazu muss der Einbau neuer Öl- und Gasheizungen ab 2024 und der Betrieb bestehender Anlagen schrittweise bis 2035 verboten werden.

Ernährungssicherheit durch den Krieg bedroht

Russland und die Ukraine gelten als Kornkammern der Welt, normalerweise liefern sie etwa ein Drittel des weltweit gehandelten Weizens, 75% des Sonnenblumenöls und fast einen Fünftel des Maises. Doch die Häfen am Schwarzen Meer können wegen des Kriegs nicht mehr angelaufen werden. Der Handel ist praktisch zum Erliegen gekommen. Auch ist der Anbau durch den Krieg stark eingeschränkt. Libanon bezieht 90% der Weizenimporte aus der Ukraine. Auch für Syrien, Libyen und Somalia ist die Ukraine bisher der Hauptlieferant gewesen. Ersatz zu finden, ist aufgrund der enorm gestiegenen Preise kaum möglich. Für Schwellen- und Entwicklungsländer macht der Ukraine-Krieg Weizen fast unbezahlbar. Es drohen Hunger, politische Instabilität und Flucht. Laut dem Chef des Welternährungsprogramms, David Beasley, droht eine sich stetig verstärkende Lebensmittelnot (msn.comecotopia.ua und Zeit.de). Mehr zu den Gefahren und Lösungen dazu von WRI.

Schweizer Energie und Klimapolitik

Als Reaktion auf den Ukraine-Krieg haben der Bundesrat, politische Parteien und NGOs zahlreiche und zum Teil sehr unterschiedliche Vorstösse gemacht. Hier eine nach Energieträgern geordnete Übersicht.

Erdgas: Der Bundesrat will die Versorgungssicherheit für den nächsten Winter verbessern. Verschiedene Ämter sollen dafür sorgen, dass die Schweizer Gasbranche möglichst rasch Gas, Gasspeicherkapazitäten im Ausland, Flüssiggas sowie die dafür nötigen Terminalkapazitäten beschaffen kann. Die Gasbranche kann sich dazu absprechen, ohne kartellrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.

Die SP will, dass in der Schweiz innert eines Jahres 100'000 Gasheizungen durch Wärmepumpen und Holzheizungen ersetzt werden; das entspricht einem Drittel der heute betriebenen Gasheizungen. Gemäss dem Konzept sollen Hauseigentümer*innen dafür mit 12’000 CHF unterstützt werden. Politiker*innen der Grünen und der Mitte unterstützen den in der Sonntagszeitung (paywall) publik gemachten Vorstoss. Derzeit ist die Kapazität für den Einbau von Wärmepumpen allerdings begrenzt: Bereits heute gibt es Wartefristen von mehrere Monaten, schreiben der Tages-Anzeiger und die NZZ (paywall). Und auch Fachkräfte fehlen, um die Gebäude klimatauglich zu machen, weiss der Tages-Anzeiger. Der Bund startet deshalb eine Bildungsoffensive, um die Attraktivität der Berufe in der Bau- und Immobilienbranche zu verbessern.

Eine rascher umsetzbare Massnahme regt die Klima-Allianz an: In der Kampagne Turn Down the Gas! ruft sie die Bevölkerung dazu auf, die Gas- oder Ölheizungen auf 20 Grad oder weniger herunterzudrehen. Um den Ausstieg aus fossiler Energie zu beschleunigen, hat der Verein Klimaschutz Schweiz eine Petition lanciert.

Der Ukraine-Krieg wirft auch ein neues Licht auf die Pläne des Bundesrats, Reserve-Gaskraftwerke zu bauen. Nur wenige Tage vor der russischen Invasion hatte der Bundesrat beschlossen, dass umgehend eine Ausschreibung zum Bau von Reserve-Kraftwerken vorbereitet werden soll. Vorgesehen sind zwei bis drei Gaskraftwerke mit einer Leistung von insgesamt bis zu 1000 Megawatt. Sie sollen in Ausnahmesituationen zum Einsatz gelangen, das heisst wenn der Strommarkt die Nachfrage zeitweise nicht mehr decken kann. Zudem will der Bundesrat eine sogenannte Wasserkraftreserve einrichten: Ab nächstem Winter sollen die Betreiber von Speicherkraftwerken verpflichtet werden, gegen Entgelt eine bestimmte Menge Energie zurückzubehalten. Die Grüne Partei will die Gaskraftwerke laut Sonntagszeitung bekämpfen. Die Grünen sind der Ansicht, die bestehenden Stauseen würden über genügend Speicherkapazität verfügen. Die Partei will in der Umweltkommission für eine Kurskorrektur eintreten.

Benzin und Heizöl: SVP, FDP und Mitte wollen den Preisanstieg bei Benzin und Heizöl abfedern. In verschiedenen Motionen fordern sie, die Mineralölsteuer befristet zu reduzieren. In welchem Umfang dies geschehen soll, darüber sind sich die Parteien nicht einig. Heute fliesst ein Viertel der Mineralölsteuer in die allgemeine Bundeskasse, drei Viertel sind für den Strassen- und Luftverkehr zweckgebunden. Die SVP verlangt zudem, den Pendlerabzug bei der direkten Bundessteuer von 3000 auf 6000 Franken zu erhöhen. Mehr dazu in der NZZ (paywall).

Der Präsident der Grünen Partei, Balthasar Glättli, verlangt in der NZZ am Sonntag (paywall), dass der Bund autofreie Sonntage einführt, um Benzin zu sparen. Dies war zuletzt in der Ölkrise in den 1970er Jahren gemacht worden.

Solarenergie: Die Schweizerische Energie-Stiftung verlangt einen schnelleren Ausbau von Solarstromanlagen. Eine Massnahme liege darin, Gebäudebesitzer*innen zum Bau von Photovoltaikanlagen zu verpflichten. Zudem sollten Panels nicht bloss auf bestehenden Gebäuden installiert werden, sondern auch entlang von Strassen, Parkplätzen, Lärmschutzwänden oder auch auf freiem Feld. Gegen freistehende Solaranlagen im Berggebiet regt sich allerdings Widerstand: Die Präsidentin der Natur- und Heimatschutzkommission, Mitte-Ständerätin Heidi Z’graggen, fordert in der NZZ (paywall) für solche Anlagen ein Moratorium. Sie reagiert damit auf eine Projekt in Gondo im Wallis, das auf einer Fläche von 14 Fussballfeldern die grösste alpine Solaranlage der Schweiz vorsieht. Mehr dazu im Tages-Anzeiger.

Gletscherinitiative

Der Nationalrat lehnt die Gletscherinitiative ab und unterstützt einen direkten Gegenvorschlag, wie dies zuvor die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie vorgeschlagen hatte. Zwar soll das Netto-Null-Ziel bis 2050 in der Verfassung verankert werden, doch wird auf ein vollständiges Verbot fossiler Brenn- und Treibstoffe verzichtet. Konkret soll der Verbrauch nur soweit vermindert werden, wie dies technisch machbar und für die Wirtschaft tragbar sei. Der Verein Klimaschutz Schweiz, der die Initiative lanciert hat, reagierte enttäuscht. Er fordert nun den Ständerat auf, einen indirekten Gegenentwurf mit einem ambitionierten Absenkpfad zu formulieren. Damit lassen sich Klimaschutzmassnahmen auf Gesetzesstufe regeln, was schneller zu realisieren ist. Eine Übersicht über die Debatte im Nationalrat auf SRF, in der NZZ (paywall) und im Tages-Anzeiger.

Kleiner politischer Exkurs: Was ist der Unterschied zwischen direktem und indirektem Gegenentwurf? Bei einem direkten Gegenentwurf schlägt das Parlament als Antwort auf eine Initiative einen anderen Verfassungsartikel vor. Zieht das Initiativkomitee die Initiative nicht zurück, so gelangen Initiative und der Gegenentwurf gleichzeitig zur Abstimmung. Bei einem indirekten Gegenvorschlag schlägt das Parlament anstelle einer Verfassungsänderung eine Gesetzesänderung oder ein neues Gesetz vor. Da so keine Verfassungsänderung nötig ist, können die Änderungen schneller in Kraft treten. Zieht das Initiativkomitee eine Initiative nicht zurück, so tritt der indirekte Gegenvorschlag nur in Kraft, wenn die Initiative abgelehnt wird.

Wie gross ist das Treibhausgasbudget der Schweiz bis 2050?

Der Bundesrat hat erstmals Zahlen bekanntgegeben, wie viele Treibhausgase die Schweiz bis 2050 emittiert, wenn die langfristige Klimastrategie des Bundesrats umgesetzt wird. Dabei werden die Emissionen gemäss dem Absenkpfad der Energieperspektiven 2050+ (Szenario «ZERO Basis») bis 2030 um 50% und bis 2050 auf netto null reduziert. Auf diesem Pfad stösst die Schweiz von 2021 bis 2050 Treibhausgasemissionen von 1 Milliarde Tonnen aus (CO2-Äquivalente), bezogen auf das Inland und inklusive Luftverkehr.

2020 betrug das weltweite CO2-Budget, damit das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Übereinkommens mit einer Wahrscheinlichkeit von zwei Drittel erreicht werden kann, noch 400 Milliarden Tonnen. Verteilt man dieses Budget auf die Weltbevölkerung, stehen der Schweiz noch etwa 440 Millionen Tonnen CO2-Emissionen zur Verfügung. Werden historische Verantwortung oder die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt, wäre das Budget bedeutend kleiner. Wie dieses Budget auf verschiedene Länder aufgeteilt wird, hängt von politischen und ethischen Entscheiden ab. Klar ist, dass die Schweiz ihr Budget mit der aktuellen Klimastrategie nicht einhalten kann.

Welche Anstrengungen unternommen werden müssten, damit die Schweiz CO2-neutral wird, macht eine Studie der Empa und der ETH Lausanne deutlich. Anhand von verschiedenen Szenarien wird aufgezeigt, welche Investitionen in die Wasser-, Wind- und Sonnenenergie und Speicheranlagen fliessen müssen, um fossile Energie und Atomkraftwerke zu ersetzen. Mehr dazu in der NZZ am Sonntag (paywall).

Rascherer Ausbau nicht-fossiler Energieträger, Lobbyarbeit von rechts

Der Bundesrat schlägt vor, die Planungs- und Bewilligungsverfahren für die bedeutendsten Anlagen der Wasserkraft und der Windenergie zu vereinfachen und zu straffen, damit sich erneuerbare Energieanlagen rascher realisieren lassen.

Auch den Ausbau der Photovoltaik will der Bundesrat beschleunigen. Investitionen für Photovoltaikanlagen sollen künftig auch bei Neubauten steuerlich abgezogen werden können, zudem soll die Zulassung von Solaranlagen an Fassaden vereinfacht werden. Für eine entsprechende Vorlage läuft bis zum 23. Mai die Vernehmlassung. Mehr dazu in der NZZ (paywall).

Die Gemeinden kritisieren im Tages-Anzeiger, dass dadurch ihre Autonomie eingeschränkt würde. Die Bergkantone bemängeln in der NZZ (paywall), dass das Umweltrecht geschwächt würde. Der Wirtschaftsverband swisscleantech begrüsst hingegen die Vorschläge des Bundesrats und sieht Raum für Kompromisse, um den Umweltschutz an der einen Stelle zu verbessern (Erhöhung der Restwassermengen im Sommer) und auf der anderen Seite zu schwächen (etwa beim Landschaftsschutz). Der WWF verlangt eine kostendeckende Finanzierung von Solaranlagen und regt an, deren Bau auf Gebäuden vorzuschreiben, falls dies technisch, wirtschaftlich und ästhetisch vertretbar sei.

AKWs und die aufgebauschte Diskussion um die «Stromlücke»

Schon länger verlangt die SVP den Bau eines neues Atomkraftwerks. Nun schliesst auch die FDP nicht mehr aus, dass in Zukunft neue Reaktoren gebaut werden sollen. Im Februar stimmten die Delegierten einer Energieresolution zu, die verlangt, rechtliche Voraussetzungen zu schaffen, damit «langfristig und bei Bedarf auch eine neue Generation der Kernkraft-Technologie» gebaut werden könne, um die Stromversorgung zu sichern. Das in der Energiestrategie 2050 verankerte Verbot neuer Atomkraftwerke hatte die Partei noch mitgetragen. Hinter dem Richtungswechsel der FDP steht laut der Republik das alte Netzwerk der Atomlobby.

Seit 30 Jahren argumentieren Kernkraft-Befürworter und Klima­skeptiker mit einer drohenden «Stromlücke», um damit den Ausbau erneuerbarer Energien zu verhindern und Umweltschutzanliegen zu schwächen. Nach dem Nein zum CO2-Gesetz und dem Abbruch der Verhandlungen über den EU-Rahmenvertrag (und damit dem Aus für ein EU-Stromabkommen) hat die Diskussion an Fahrt aufgenommen. Wie bürgerliche Parteien, Wirtschaftsvertreter*innen und Lobbyist*innen dabei ihre Position zu stärken versuchen, zeigen Recherchen der Republik und der NZZ am Sonntag (paywall).

Eine Schlüsselrolle spielt die PR-Agentur Furrerhugi in Bern. Sie hat Energie­firmen und Wirtschafts­fachverbände versammelt, um die «Allianz für Versorgungs­sicherheit» zu gründen. Die Akteure wollen unter anderem geltende Umweltschutzbestimmungen schwächen. So soll im neuen «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» der Schutz von Biotopen von nationaler Bedeutung aufgeweicht werden. Über diesen sogenannten Mantelerlass hat die Umweltkommission des Ständerats Ende Januar die Verhandlungen aufgenommen. Die 2016 vom Volk gutgeheissene Energiestrategie 2050 schützt diese Flächen vor Eingriffen. Geplant ist zudem eine Volksinitiative, um auch in Biotopen von nationaler Bedeutung Strom zu erzeugen. In diesem Zusammenhang interessant ist der Hinweis im Tages-Anzeiger (paywall), dass Stromunternehmen bereits bewilligte Projekte aus wirtschaftlichen Gründen nicht bauen, darunter eine Erhöhung der Staumauer am Göscheneralpsee.

Trockenere Sommer

Die Schweizer Sommer sind in den letzten 40 Jahren deutlich trockener geworden. Während im Alpenraum zwischen 1976 und 2003 kaum Sommertrockenheit auftrat, gab es seither mehrere Dürren. Gemäss einer Studie von MeteoSchweiz und der ETH Zürich tragen zwei Faktoren dazu bei: zum einen die leichte Abnahmen der Niederschläge, zum anderen die zunehmende Verdunstung. Die Wasserbilanz (Niederschlag minus Verdunstung) im Sommerhalbjahr hat sich einem Wasserüberschuss (rund 50 mm) in den 1980er Jahren zu einem Wasserdefizit (100 mm) verschoben. Zum Vergleich: Im Mittelland erreichen die Niederschläge im Schnitt zwischen etwa 1000-1500 mm pro Jahr.

Klimarelevante Entscheide von Bund und Kantonen

Bis 2050 muss auch der Abfall in der Schweiz klimaneutral entsorgt werden. Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) stossen heute rund 5 Prozent der Treibhausgase der Schweiz aus. Der Bund und der KVA-Verband haben eine neue Vereinbarung abgeschlossen, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Darin verpflichten sich die Betreiber*innen, bis spätestens 2030 eine erste Anlage zur Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2 in Betrieb zu nehmen. Dafür nötig ist auch der Bau einer Infrastruktur, um das abgeschiedene CO2 zu transportieren und endgültig zu speichern. Mehr dazu im Tages-Anzeiger.

Im April 2020 hat die jurassische Regierung ankündigt, sie werde die Bewilligung für das Tiefengeothermieprojekt in der Gemeinde Haute-Sorne aufheben. Nun soll das Projekt doch weitergeführt werden, unter zusätzlichen Sicherheitsauflagen. Mit der Wärme aus den Gesteinen im jurassischen Untergrund sollen einmal 6000 Haushalte mit Strom versorgt werden. Mehr dazu im Tages-Anzeiger.

Der Kanton Zürich will wenn möglich bis 2040, spätestens aber 2050 keine Treibhausgase mehr ausstossen. Der exakte Zeithorizont werde offen gelassen, weil sich Treibhausgasemissionen unter anderem in der Landwirtschaft nicht vollständig vermeiden liessen. Dieses Ziel hat der Regierungsrat in der «Langfristigen Klimastrategie» definiert. Mehr dazu im Tages-Anzeiger (paywall) und nau.ch.

Europäische Klimapolitik

Hitzewellen gefährden Menschenleben in Europa

Wetter- und klimabedingte Extremereignisse haben in den letzten 40 Jahren in Europa wirtschaftliche Schäden von rund 500 Milliarden Euro verursacht. Dazu zählen unter anderem Stürme, Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren. Die Wetterextreme führten zudem zu 85’000 bis 145’000 Todesfällen; davon traten über 85% während Hitzewellen auf. Durchgeführt hat die Studie die Europäische Umweltagentur, die dafür Daten der EU-Staaten sowie von Island, Norwegen, der Schweiz und der Türkei ausgewertet hat. Die Agentur warnt, dass diese Ereignisse, die bereits heute grossen Schaden anrichten, mit dem Klimawandel noch häufiger und intensiver würden. Die höchsten wirtschaftlichen Verluste traten in Deutschland, Frankreich und Italien auf. Pro Kopf der Bevölkerung waren die Schäden in der Schweiz mit über 2000 Euro am grössten.

Frankreich will die Atomkraft ausbauen, Belgien den Betrieb verlängern

Der französische Präsident Emmanuel Macron will eine «Renaissance» von Frankreichs Atomindustrie. Damit soll das Land unabhängig von fossilen Energieträgern und bis 2050 klimaneutral werden. Macron kündigte an, Frankreich werde sechs Atomreaktoren beim staatseigenen Konzern Électricité de France bestellen. Der Bau acht weiterer Anlagen soll geprüft werden. Macrons Vorgänger François Hollande wollte schrittweise aus der Kernenergie aussteigen. Das umstrittene Werk im elsässischen Fessenheim wurde 2020 ausser Betrieb genommen. Alle anderen Anlagen will Macron weiterlaufen lassen. Mehr dazu im Guardian.

Belgien will die Lebensdauer zwei seiner insgesamt sieben Atomreaktoren um zehn Jahre verlängern. Das Land will damit die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus dem Ausland reduzieren. Geplant war, bis 2025 komplett aus der Kernenergie auszusteigen. Der Atomausstieg, der bereits 2003 per Gesetz beschlossen worden war, sollte durch den verstärkten Einsatz von Gas ausgeglichen werden (NZZ,  paywall).

Deutschlands Treibhausgasemissionen steigen wieder

Während der CO2-Ausstoss 2020 durch die Pandemie um fast 9% zurückgegangen war, stieg er gemäss dem Umweltbundesamt 2021 um 4,5%. Seit 1990 sind die Emissionen in Deutschland um knapp 39 Prozent gesunken. Bis 2030 sollen sie um 65% reduziert werden. Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Emissionen nun pro Jahr um 6% sinken. Seit 2010 waren es im Schnitt nicht einmal 2% (Klimareporter).

Internationale Klimapolitik

Corona-Aufbauprogramme haben dem Klima wenig gebracht

Bereits kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie wurden Aufbauprogramme lanciert, und Klimaforscher*innen und auch die internationale Energieagentur riefen dazu auf, die Gelder für den Umstieg auf erneuerbare Energiequellen einzusetzen. Nun zeigt eine in Nature publizierte Analyse, dass diese Chance verpasst wurde. Von den 14 Billionen USD Fördergeldern, welche die 20 grössten Industriestaaten in den Jahren 2020 und 2021 in Förderprogramme steckten, flossen nur gerade 6% in Projekte zur Reduktion von Treibhausgasen (Elektromobilität, energieeffiziente Gebäude, Förderung erneuerbarer Energie). 3% der Wiederaufbauprogramme gingen als Subventionen an die Kohleindustrie und andere Programme, die den CO2-Ausstoss erhöhten. Mehr dazu im Tages-Anzeiger und im Guardian.

Grossunternehmen versprechen mit ihren Klimazielen zu viel

Viele Grosskonzerne wollen klimaneutral werden – Unilever, Ikea oder Novartis bereits bis 2030, andere wie Nestlé oder Volkswagen bis 2050. Die deutsche Denkfabrik New Climate Institute hat die Klimaziele von 25 grossen Unternehmen weltweit untersucht; zusammen stossen diese rund 5% der weltweiten Treibhausgase aus. Das Fazit ist ernüchternd: Die Firmen versprechen deutlich zu viel. Zwölf der untersuchten Unternehmen machen keine klaren Angaben zu ihren Reduktionsverpflichtungen. Die übrigen 13, die «klimaneutral» werden wollen, reduzieren die Emissionen im Schnitt um nur 40%. Hinzu kommt, dass viele der Firmen die Emissionen durch den Kauf von Zertifikaten kompensieren wollen, statt den eigenen Ausstoss im erforderlichen Ausmass zu reduzieren. Mehr dazu im Guardian.

Neuer Bericht des Weltklimarats schlägt Alarm, einmal mehr

Der neuste Bericht des Weltklimarates wurde Ende Februar 2022 veröffentlicht. Der über 3000 Seiten lange Bericht fasst Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch, Ökosysteme und Artenvielfalt zusammen und zeigt die Möglichkeiten und Grenzen der Anpassungen an den Klimawandel auf. Der erste Bericht des AR6 wurde im August 2021 veröffentlicht. Darin wurde untersucht, wie und warum sich das Klima der Erde verändert.

Der neue Bericht warnt vor den grossen Risiken, die Verzögerungen von tiefgreifenden Klimamassnahmen mit sich bringen. Je wärmer es wird, desto schwieriger werden effektive Anpassungsmassnahmen. Etwa 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen, über ein Drittel der Menschheit, leben unter Bedingungen und in Regionen, die durch den Klimawandel stark gefährdet sind. Durch Ernährungsunsicherheit, Wasserknappheit und unerträgliche Hitze kann der Klimawandel bestehende Krisen und Konflikte und Flüchtlingskrisen verschärfen. Arme Länder sind dabei um ein Vielfaches mehr betroffen als reichere Länder.

Hunger und Wasserknappheit

Der Klimawandel wird sich zunehmend negativ auf die Nahrungsmittelproduktion und den Zugang zu Nahrungsmitteln auswirken, vor allem in verletzlichen Regionen, und damit die Ernährungssicherheit gefährden. Schon jetzt sind laut dem Bericht Millionen von Menschen durch zunehmende Wetter- und Extremereignisse einer akuten Ernährungsunsicherheit und einer verminderten Wassersicherheit ausgesetzt.

Krankheiten und vorzeitige Todesfälle

Der Klimawandel und extreme Wetterereignisse «werden kurz- bis langfristig zu einer erheblichen Zunahme von Krankheiten und vorzeitigen Todesfällen führen». Etwa 50-75% der Weltbevölkerung könnten bis zum Jahr 2100 Perioden mit «lebensbedrohlichen klimatischen Bedingungen» aufgrund von extremer Hitze und Feuchtigkeit ausgesetzt sein. Auch ein grosser Teil der Biodiversität ist durch den Klimawandel gefährdet.

Irreversible Folgen

Der Bericht warnt, dass selbst eine vorübergehende globale Erwärmung um mehr als 1,5°C zu gravierenden Auswirkungen führen würde, die über Jahrhunderte bis Jahrtausende irreversibel sind oder, was das Artensterben betrifft gänzlich unumkehrbar sind. Bleibt der globale Ausstoss von Treibhausgasen auf dem heutigen Niveau, steigt die globale Erwärmung wahrscheinlich bereits bis 2035 um 1,5°C.

Fazit

Die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger*innen enden die Wissenschaftler*innen mit der folgenden Erklärung: «Die wissenschaftlichen Beweise sind eindeutig: Der Klimawandel ist eine Bedrohung für das menschliche Wohlergehen und die Gesundheit des Planeten. Werden globale Massnahmen zur Anpassung und Minderung des Klimawandels verzögert, wird dadurch das kleine verbleibende Zeitfenster verpasst, das es uns ermöglichen würde, eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle zu sichern.»

António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, wurde an der Pressekonferenz noch deutlicher: «Ich habe in meinem Leben schon viele wissenschaftliche Berichte gesehen, aber keinen wie diesen. Der heutige IPCC-Bericht ist ein Atlas des menschlichen Leids und eine vernichtende Anklage gegen das Versagen der Klimapolitik. Dieser Bericht zeigt anhand von Fakten, wie die Menschen und der Planet durch den Klimawandel geschädigt werden. Fast die Hälfte der Menschheit lebt in der Gefahrenzone - jetzt. Für viele Ökosysteme gibt es kein Zurück mehr - jetzt. Die unkontrollierte CO2-Verschmutzung zwingt die Schwächsten der Welt auf einen Froschmarsch ins Verderben - jetzt. Die Fakten sind unbestreitbar. Die grössten Umweltverschmutzer der Welt machen sich der Brandstiftung an unserer einzigen Heimat schuldig […]. Das Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen, muss unbedingt erreicht werden […].»

Quellen:

Neues aus der Klimawissenschaft

Weniger Meereis und Rekordhitze in der Arktis und Antarktis

Ende Februar 2022 erreichte die Ausdehnung des Meereises um die Antarktis mit 1.9 Millionen km2 den niedrigsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen vor über 40 Jahren. Das sind 10% weniger als 2017, als der bisher tiefste Wert gemessen wurde. Über den ganzen Monat Februar lag die Ausdehnung gemäss der europäischen Klimaagentur Copernicus rund einen Viertel unter dem Mittel der Jahre 1991 bis 2020. Gemäss den Forscher*innen wurde der Rückgang zum Teil durch starke Winde verursacht, die das Eis in wärmere Gewässer trieben, wo es schmolz. In der Arktis lag die Meereisausdehnung 2% unter dem langjährigen Durchschnitt. Mehr dazu bei Nature und der New York Times.

Im März wurden in der Arktis und der Antarktis rekordhohe Temperaturen gemessen. Wetterstationen in der Nähe des Nordpols registrierten Temperaturen, die teilweise 30°C über dem Normalwert lagen. In der Antarktis war es sogar bis zu 40°C wärmer als für die Jahreszeit üblich, berichten der Guardian und der Tages-Anzeiger.

Wenige Tage nach den rekordhohen Temperaturen ist das Conger-Schelfeis im Osten der Antarktis zusammengebrochen, wie Satellitendaten zeigen. Zuletzt bedeckte das Schelfeis noch eine Fläche von 1200 Quadratkilometern. Laut Forscher*innen der Nasa ist es der grösste Kollaps von Eismassen in der Antarktis seit dem Jahr 2000. Der vollständige Zusammenbruch des Conger-Schelfeises während ungewöhnlich hoher Temperaturen sei «ein Zeichen für das, was noch kommen kann.»

Die Bedrohung durch extreme Waldbrände steigt

Die Uno-Umweltorganisation UNEP warnt in einem neuen Bericht vor der wachsenden Bedrohung durch extreme Waldbrände. Bis zum Ende des Jahrhunderts werden starke Waldbrände, wie sie unlängst in Kalifornien und Sibirien auftraten, um 50% zunehmen. Auch die Arktis und andere Gebiete, die früher nicht von Waldbränden betroffen waren, können dadurch verwüstet werden. Gemäss dem Bericht verstärken sich Klimawandel und Waldbrände gegenseitig. Der Klimawandel führt zu mehr Trockenheit, hohen Lufttemperaturen, Blitzen und starken Winden, wodurch die Wahrscheinlichkeit und die Intensität von Waldbränden zunehmen. «Die Erwärmung des Planeten verwandelt die Landschaften in Zündholzschachteln», warnen die Forscher*innen. Umgekehrt gelangen durch Waldbrände grosse Mengen an CO2 in die Atmosphäre, wenn Regenwälder und Torfmoore zerstört werden. Mehr dazu im Guardian und bei Klimareporter.

Extreme Waldbrände sind auch eine Gefahr für die Ozonschicht. So haben die intensiven Feuer in Australien zum einem Rückgang der Ozonschicht geführt, wie eine neue Studie zeigt. Steige der Rauch extremer Waldbrände bis in die Stratosphäre hoch, könne dies jahrelange Fortschritte zur Wiederherstellung der Ozonschicht zunichtemachen, warnen Forscher*innen. Mehr dazu bei Inside Climate Change.

Amazonas und Permafrost-Torfböden drohen Kipp-Punkt zu erreichen

Forscher*innen warnen schon länger davor, dass sich ein grosser Teil des Amazonasgebiets in eine Savanne verwandeln könnte, falls sogenannte Kipp-Punkte überschritten würden. Nun zeigt eine Analyse von Satellitendaten, dass sich der Amazonas-Regenwald diesem Punkt annähert. In den letzten 20 Jahren haben mehr als drei Viertel des unberührten Waldes die Fähigkeit verloren, sich von Dürren und anderen Wetterextremen erholen zu können. Am meisten haben jene Gebiete an Stabilität verloren, die in der Nähe von landwirtschaftlichen Flächen, Strassen und Städten liegen sowie in Regionen, die immer trockener werden. Die Gefahr, dass der Amazonas abstirbt, wächst, was tiefgreifende Auswirkungen auf die Artenvielfalt, die CO2-Speicherung und den Klimawandel hätte. Mehr dazu bei Carbon Brief und im Guardian.

Auch die Permafrost-Torfböden in Europa sind gefährdet. Selbst bei einer nur moderaten Klimaerwärmung besteht laut einer neuen Studie die Gefahr, dass in grossen Teilen Nordeuropas und Westsibiriens eine Schwelle überschritten wird, ab der sich die Böden nicht mehr erholen können. Dadurch würden enorme Mengen an CO2 freigesetzt. Die europäischen Permafrostgebiete erstrecken sich über mehr als 1,4 Millionen Quadratkilometer und enthalten doppelt so viel CO2, wie in den europäischen Wäldern gespeichert ist. Wie viel davon und in welchem Zeitraum in die Atmosphäre gelangt, ist noch unklar. Mehr dazu bei Carbon Brief.

Zwölf typische Argumente gegen Klimaschutz – und wie darauf zu antworten ist

2020 analysierte eine Forschungsgruppe unter dem Titel «Discourses of climate delay» die aktuellen Debatten zum Klimaschutz und erarbeitete eine Typologie der gängigsten Argumente, mit welchen wirksame Massnahmen zur Eindämmung der Klimakrise blockiert werden. Nun zeigt ein Beitrag des deutschen Online-Mediums Perspective Daily auf, wie diese Argumente zu erkennen sind und darauf reagiert werden kann, um konstruktive Debatten zu führen. Das reicht vom Trittbrettfahrer-Argument (solange nicht alle Länder die CO2-Emissionen reduzieren, lohnt es sich für einzelne, nichts zu unternehmen), über Technologie-Optimismus bis zum Argument, Klimaschutz sei unfair und belaste ärmere Menschen am stärksten.

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